Wie das Zusammenspiel der einzelnen Moleküle und Zellen komplexe kognitive Funktionen entstehen lässt, ist eine ungeklärte Frage.
© RUB, Marquard

Neurowissenschaft Neurofeedback hilft Lernerfolg zu steuern

Wer seinen Gehirnrhythmus selbst reguliert, kann Kapazitäten für neu zu lernendes freigeben.

Um die gigantischen Mengen an Information, die auf uns einströmen, effizient bewältigen zu können, nutzt unser Gehirn Filtersysteme. Neuronale Alpha-Oszillationen gehören dazu. Sie helfen, den Informationsfluss in bestimmten Gehirnregionen herunterzufahren. Durch ein spezielles Training lassen sich die Oszillationen gezielt beeinflussen. Ein Team des Neural Plasticity Labs am Institut für Neuroinformatik der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Abteilung für Neurologie des RUB-Klinikums Bergmannsheil hat herausgefunden, dass Probanden so selbst Einfluss auf ihren Lernerfolg in einer Tastaufgabe nehmen können. Sie berichten im Journal Nature Communications vom 16. Januar 2019.

Wechselspiel aus Hemmung und Enthemmung

Dank eines Wechselspiels aus Hemmung und Enthemmung bestimmter Areale kann unser Gehirn die Verarbeitung besonders wichtiger Reize stets gewährleisten. Neuronale Alpha-Oszillationen regulieren den Informationsfluss in bestimmten Gehirnregionen herunter, sodass Kapazitäten für die Verarbeitung neuer Reize frei werden. „Das richtige Timing von Alpha-Oszillationen hängt stark mit der Leistung in kognitiven Aufgaben und Wahrnehmungstests zusammen“, erklärt Privatdozent Dr. Hubert Dinse vom Institut für Neuroinformatik und der Abteilung für Neurologie des Bergmannsheil.

Bislang war allerdings unklar, ob sich Lernleistungen auch durch Alpha-Oszillationen beeinflussen lassen. Um das zu klären, brachte das Team, zu dem neben Hubert Dinse Marion Brickwedde und Marie C. Krüger gehören, jungen gesunden Menschen bei, ihre Alpha-Oszillationen herauf- oder herunterzuregulieren.

Gedanken und Gefühle beeinflussen die Oszillationen

Dazu nahmen die Probandinnen und Probanden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen an einem sogenannten Neurofeedbacktraining teil, in dem sie in Echtzeit Rückmeldung über ihr Gehirnsignal in Form von Farben auf einem Computerbildschirm bekamen. „So konnten die Teilnehmer lernen, durch welche Gedanken oder Gefühle sie eine Verstärkung oder Verringerung von Alpha-Oszillationen in Tastsinn-verarbeitenden Regionen des Gehirns hervorrufen können“, erklärt Marion Brickwedde.

Im Anschluss daran wurde der rechte Zeigefinger der Teilnehmer für 20 Minuten elektrisch stimuliert. Das regt kortikale Lernprozesse an und verbessert den Tastsinn. Dieser Prozess ist unabhängig von Vorerfahrung, Motivation oder Aufmerksamkeit und ermöglicht somit eine besonders effiziente Untersuchung der kortikalen Grundlagen des Lernens.

Lernerfolg verstärkt sich oder bleibt aus

Bei Teilnehmern, die ihre Alpha-Oszillationen erfolgreich verstärken konnten, verbesserte sich der Tastsinn besonders stark. Im Gegensatz dazu verbesserten sich Teilnehmer, die ihre Alpha-Oszillationen verringerten, im Durchschnitt durch die Stimulation gar nicht.

Mögliches Mittel in Alltag, Reha und Klinik

Erklären lässt sich dieser Prozess durch eine gezielte neuronale Ressourcenverteilung. Starke Alpha-Oszillationen verringern die Informationsverarbeitung, wodurch viele neuronale Ressourcen frei werden, die dann für wichtige eintreffende Informationen zur Verfügung stehen. Sind nur wenige Ressourcen verfügbar, wie das bei niedrigen Alpha-Oszillationen der Fall ist, ist die Informationsverarbeitung weniger effizient. „Alpha-Neurofeedbacktraining könnte also ein Mittel darstellen, Lernerfolg in alltäglichen, aber auch in rehabilitativen oder klinischen Kontexten zu verstärken“, folgert Hubert Dinse.

Förderung

Die Arbeiten wurden unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 874 und die International Graduate School of Neuroscience.

Originalveröffentlichung

Marion Brickwedde, Marie C. Krüger, Hubert R. Dinse: Somatosensory alpha oscillations gate perceptual learning efficiency, in: Nature Communications, 2019, DOI: 10.1038/s41467-018-08012-0

Pressekontakt

Dr. Hubert Dinse
Neural Plasticity Lab
Institut für Neuroinformatik
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 25565
E-Mail: hubert.dinse@rub.de

Veröffentlicht

Mittwoch
16. Januar 2019
11:12 Uhr

Von

Meike Drießen

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