Stalagmiten verraten Sebastian Breitenbach und seinen Kollegen etwas über die Klimavariationen der vergangenen Jahrhunderte.
© RUB, Marquard

Klimatologie Tropfsteine verraten die Stärke des Monsuns

Stalagmiten sind Tagebücher des Klimas der Vergangenheit – wenn man sie richtig interpretiert. Dann sind auch Vorhersagen von Klimaschwankungen möglich.

Rund 1,5 Milliarden Menschen in Indien und Südasien sind vom jährlichen Monsunregen abhängig. Schwankungen in dessen Stärke oder zeitliche Verschiebungen können schlimme Folgen haben. Um sich auf solche Ereignisse besser vorbereiten zu können, braucht man Daten über das Klima der Vergangenheit, die langfristige und entfernte klimatische Zusammenhänge sichtbar machen. Wie man diese aus Tropfsteinen gewinnen kann, hat ein Forscherteam der Vanderbilt University, USA, und der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gezeigt. Dabei wiesen die Forscher nach, dass potenziell bedeutende Informationen aus Tropfsteinen bisher unberücksichtigt geblieben sind. Sie berichten im Journal Scientific Reports vom 25. März 2019.

Zu wenig oder zu viel Regen

Da die Wirtschaft Indiens und Südasiens überwiegend landwirtschaftlich geprägt ist, führt zu wenig oder zu später Regen schnell zu Wasserknappheit und Ernteausfällen. Aber auch zu viel Regen mindert die Erträge und führt zu katastrophalen Überschwemmungen in den Ebenen Nordindiens und Bangladeschs. „Deswegen sind die Menschen sehr daran interessiert, solche Schwankungen des Monsuns vorherzusagen, um sich darauf vorbereiten zu können“, so Dr. Sebastian Breitenbach von der Fakultät für Geowissenschaften der RUB, der die Studie gemeinsam mit Elli Ronay und Jessica Oster vom Department of Earth and Environmental Sciences der Vanderbilt University verfasst hat.

Schwankungen innerhalb einer Saison

Die Angst vor Wasserknappheit in Indien verstärkt sich durch Aufzeichnungen von Klimaschwankungen der Vergangenheit. Ergänzend zu begrenzten historischen Aufzeichnungen untersuchen Forscherinnen und Forscher die Zusammensetzung von Tropfsteinen aus Höhlen. Deren chemische Zusammensetzung verändert sich, je nachdem wie viel Niederschlag zum Zeitpunkt ihrer Entstehung gefallen ist. „Diese Höhlenaufzeichnungen deuten nach der gängigen Interpretation auf das Wiederauftreten von intensiven, mehrjährigen Dürren in Indien in den letzten mehreren tausend Jahren hin“, erklärt Breitenbach.

Gemeinsam mit seinen Kolleginnen untersuchte er nun einen sehr jungen Stalagmiten, der zwischen 1964 und 2013 in der Mawmluh-Höhle in Nordostindien gewachsen war. Anhand seiner Zusammensetzung konnten die Forscher lokale Veränderungen des Wasserhaushalts der Höhle sehr genau bestimmen und sogar Schwankungen während einer Saison ermitteln.

Winterregen bestimmt die Zusammensetzung

Die Höhle befindet sich in der Nähe von Cherrapunji in Indien, dem Ort mit den höchsten Niederschlägen der Erde. Die saisonalen Schwankungen sind dort extrem – während im Sommer sehr hohe Regenmengen registriert werden, herrscht im Winter Wassermangel. „Vergleiche der Aufzeichnungen aus der Mawmluh-Höhle mit den Niederschlagsdaten aus Cherrapunji zeigen, dass wider Erwarten die Bandbreite der Spurenelementzusammensetzung des Stalagmiten nicht durch den Monsunregen bestimmt wurde, sondern durch Schwankungen der Regenfälle in der Trockenzeit“, so Sebastian Breitenbach.

Dieser Befund sei durchaus auf Stalagmitenaufzeichnungen aus anderen Höhlen übertragbar, insbesondere in Monsunregionen. Für die Mawmluh-Höhle identifizierten die Forscher einen Zusammenhang zwischen Winterregenmengen in Nordostindien und den klimatischen Bedingungen im Pazifischen Ozean, der sich in einem Zyklus widerspiegelt, der als Pacific Decadal Oscillation bekannt ist. „Diese entfernte Verbindung zwischen Land- und Meeresdaten könnte helfen, die Niederschlagsmengen in Nordindien in der Trockenzeit vorherzusagen“, so die Forscher.

Vorsicht bei der Interpretation von Stalagmiten

Die Ergebnisse mahnen zur Vorsicht bei der Interpretation von Stalagmiten aus Regionen mit starker Saisonalität wie dem Monsun. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass potenziell aussagekräftige Informationen über die jährliche Niederschlagsvariabilität in Nordostindien bisher unbemerkt geblieben sind“, erklärt Sebastian Breitenbach. Winterregenfälle nach schwachem Monsun in Indien können den Wasserstress der Bauern lindern. „Ein vertieftes Verständnis und die Kontrolle der Winterregenfälle kann für Ressourcenplaner und lokale Gemeinschaften bei der Vorbereitung auf den Klimawandel und der Anpassung an ihn von großem Nutzen sein“, so das Forscherteam.

Originalveröffentlichung

Elli R. Ronay, Sebastian F. M. Breitenbach, Jessica L. Oster: Sensitivity of speleothem records in the Indian summer monsoon region to dry season infiltration, in: Scientific Reports, 2019, DOI: 10.1038/s41598-019-41630-2

Pressekontakt

Dr. Sebastian Breitenbach
Lehrstuhl für Sediment- und Isotopengeologie
Fakultät für Geowissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 22307
E-Mail: sebastian.breitenbach@rub.de

Veröffentlicht

Montag
25. März 2019
13:02 Uhr

Von

Meike Drießen

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