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Die Dürren der Vergangenheit und Zukunft
Viele Hochkulturen vergangener Zeiten sind irgendwann verschwunden. Was mögen die Gründe für ihren Niedergang gewesen sein? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten seit Langem klimatische Veränderungen als eine der Ursachen. Besonders mehrjährige Dürreperioden stehen im Verdacht, ganze Gesellschaften in die Krise getrieben zu haben.
Um die klimatischen Bedingungen der Vergangenheit zu rekonstruieren, greifen Forscher um Dr. Sebastian Breitenbach vom Lehrstuhl für Sediment- und Isotopengeologie an der Fakultät für Geowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum unter anderem auf Stalagmiten zurück. Diese Tropfsteine bilden sich im Laufe der Zeit in Höhlen, wenn Wassertropfen zu Boden fallen. Das im Wasser gelöste Karbonat lagert sich schichtweise zu Stalagmiten ab. Je nachdem wie viel Niederschlag fällt, variieren ihr Aufbau und ihre chemische Zusammensetzung.
Stalagmit wuchs schnell
In China hat nun eine internationale Forschergruppe Belege gefunden, die zeigen, wie unmittelbar Stalagmiten auf Niederschlagsänderungen reagieren und wie präzise Paläoklimarekonstruktionen Dürren reflektieren können. In der Dayu-Höhle in Südchina wurden bis zu 500 Jahre alte Inschriften an den Wänden gefunden, die genau beschreiben, warum die damalige Bevölkerung die Höhle aufgesucht hat. Diese exakt datierten Informationen bieten Geologen die einmalige Chance, die Ergebnisse ihrer Klimarekonstruktionen mit historischen Aufzeichnungen abzugleichen.
„In der Dayu-Höhle haben wir einen Stalagmiten untersucht, der sich ungefähr einen Kilometer vom Eingang der Höhle entfernt fand. Er bildet die Zeit zwischen etwa 1265 und 1982 ab. Jedes Jahr ist er im Durchschnitt knapp 0,2 Millimeter gewachsen, was recht schnell ist“, erläutert Sebastian Breitenbach. Die Untersuchungen der Geologen erlauben Aussagen über das damalige Klima mit einer Auflösung von etwa 1,5 Jahren.
Der Kontinent atmet ein
Um Rückschlüsse auf die klimatischen Bedingungen zu ziehen, ermitteln die Forscher unter anderem das Verhältnis stabiler Sauerstoffisotope. Die Atomkerne dieser Isotope enthalten gleich viele Protonen, aber unterschiedlich viele Neutronen. Je mehr Neutronen im Atomkern, desto höher das Gewicht des gesamten Atoms. Interessant ist für die Geologen das Verhältnis zwischen dem schwereren 18O und dem leichteren 16O. Dieses Verhältnis wird auf internationale Standards bezogen und als Delta-O-18, kurz d18O angegeben.
„Die Region Zentralchina bezieht ihr Wasser aus dem Sommermonsun“, erklärt Sebastian Breitenbach. „Wenn die Regenzeit im Sommer beginnt, ist es vereinfacht ausgedrückt so, als würde der Kontinent einatmen: Es bildet sich ein großes Tiefdruckgebiet über dem Kontinent, und die Feuchtigkeit von den Ozeanen wird angesogen.“
Schwere Atome regnen schneller herab
Je nach Stärke des Monsuns liegt die Quelle des Niederschlags mehr oder weniger weit entfernt im Ozean. Bei starkem Monsun mit heftigen Winden legen die Regenwolken einen weiteren Weg zurück als bei schwachem Monsun. Während des Transports geht Wasser durch Abregnen verloren, wobei die schwereren Atome zuerst herunterfallen. Je stärker der Monsun und je weiter der Weg der Regenwolken, desto mehr schweres 18O verschwindet also unterwegs. Das Wasser, das dann im Binnenland als Monsunregen ankommt, enthält daher verhältnismäßig viel leichtes 16O und der d18O-Wert ist niedriger.
Unschärfen in der Deutung
Anhand des d18O-Wertes können die Forscher also Rückschlüsse auf die Stärke des Monsuns in einem bestimmten Zeitabschnitt ziehen. „Leider gibt es bei diesen Deutungen des niedrigeren d18O als Signal auf einen starken Monsun aber noch einige Unschärfen“, schränkt Sebastian Breitenbach ein. „Zum Beispiel ist nicht klar definiert, was ein ‚starker Monsun‘ eigentlich ist, ob das d18O-Signal tatsächlich einfach mehr Niederschlag widerspiegelt und inwieweit weitere Faktoren Einfluss nehmen.“ Möglicherweise verteilt sich der Regen auch nur anders über das Sommerhalbjahr, was den d18O-Wert ebenfalls ändern würde.
Der Hellseher betete für Regen
Die Aussagekraft des d18O wurde daher immer wieder angezweifelt. Bis zum Fund der Inschriften in der Dayu-Höhle: Die Graffiti belegen, dass Menschen die Höhle zwischen 1520 und 1920 mindestens siebenmal besucht haben. Die Inschriften auf den Höhlenwänden geben genaue Informationen, wann und zu welchem Zweck die Besuche stattfanden: „Am 24. Mai im 17. Jahr des Kaisers Guangxu der Quing-Dynastie führte der Bürgermeister Huaizong Zhu mehr als 200 Menschen auf der Suche nach Wasser in die Höhle. Der Hellseher Zhenrong Ran betete für Regen“, lautet zum Beispiel eine Inschrift. Das Datum entspricht nach unserem Kalender dem 30. Juni 1891. Drei Jahre später, 1894, gibt es wieder eine Inschrift, der zufolge derselbe Bürgermeister 120 Menschen auf der Suche nach Wasser in die Höhle geführt hat.
„Diese Aufzeichnungen von insgesamt sieben Dürreperioden entsprechen genau den Rückschlüssen auf schwachen Monsun, die wir aus der chemischen Analyse des Stalagmiten gezogen haben“, so Sebastian Breitenbach. „Für die Region Südchina ist es also zutreffend, aus einem höheren d18O-Wert auf Dürreperioden zu schließen. Die Gültigkeit dieser Interpretation für andere Regionen muss allerdings weiter getestet werden.“
Hungersnot und Kannibalismus
Die Aufzeichnungen in der Dayu-Höhle geben außerdem Auskunft über die Folgen der Dürreperioden, die zum Beispiel von Hungersnot und Kannibalismus berichten. Aufgrund von Dürre um die Jahrhundertwende herum kam es zu Konflikten zwischen der Regierung und der lokalen Bevölkerung. „Es ist also für das Wohlergehen von Gesellschaften notwendig, Strategien für Trockenzeiten zu entwickeln“, so Breitenbach. „Das gilt besonders mit Blick auf den Klimawandel, der weitreichende ökologische Veränderungen mit sich bringt.“
Die Geologen gingen daher noch einen Schritt weiter und wagten einen Blick in die Zukunft. Für die Zeit zwischen 1982 – dort endet die Auswertung des Stalagmiten – bis 2042 wandten sie Modellrechnungen an, um die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Dürreperioden abzuschätzen.
Bauern sollten mit weniger verlässlichem Monsun rechnen
Das Ergebnis zeigt, dass die Niederschlagsmengen künftig wahrscheinlich unterhalb des Durchschnitts der vergangenen 500 Jahre liegen werden. Zwei ausgeprägte Dürreperioden konnten die Forscher für die 1990er-Jahre und für die späten 2030er-Jahre berechnen. Die meteorologischen Aufzeichnungen für die 1990er-Jahre bestätigen eine trockene Phase. Ob sich das Modell auch für die Dreißigerjahre des 21. Jahrhunderts bestätigt, bleibt abzuwarten.
„Die Bauern Südchinas sollten sich allerdings auf Phasen mit weniger Niederschlag und somit veränderten Wachstumsperioden mit möglicherweise weniger verlässlichem Monsun einstellen“, gibt Sebastian Breitenbach zu bedenken.
8. Oktober 2018
12.24 Uhr