Sozialwissenschaft Anna Sieben erhält den Wissenschaftspreis für Genderforschung
Sie will untersuchen, wie die Nutzung psychologischen Wissens im Alltag mit Geschlechterfragen zusammenhängt.
Wie wirken stereotype Vorstellungen über Männer und Frauen auf psychologische Forschung? Und wie wirken psychologische Erkenntnisse auf Männer und Frauen zurück, zum Beispiel auf ihre Vorstellungen von Elternschaft oder von Partnerschaft? Diese Fragen treiben Dr. Anna Sieben schon lange um. Um ihnen weiter im Detail nachgehen zu können, wurde die Sozialwissenschaftlerin der Ruhr-Universität Bochum (RUB) am 15. Januar 2020 mit dem Wissenschaftspreis für Genderforschung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert.
Geschlecht und Sexualität werden häufig nicht ernsthaft erforscht
Schon in ihrer Doktorarbeit suchte Anna Sieben in den Werken der einflussreichsten Psychologinnen und Psychologen nach Hinweisen auf deren Auseinandersetzung mit Geschlecht und Sexualität. „Das Ergebnis war, dass diese Themen eher am Rande vorkommen und es keine systematischen Untersuchungen gab“, so ihr Fazit. Nichtsdestotrotz konnte sie die Wirkung vorherrschender Stereotype auf die wissenschaftlichen Arbeiten nachweisen und zeigen, durch welche Auslassungen und Engführungen das Bild teils deutlicher Geschlechterunterschiede in den Studien zustande gekommen war.
Elternschaft und die Rolle der Väter
Für ihre weitere Arbeit nahm Anna Sieben die entgegengesetzte Perspektive ein und untersuchte, wie psychologische Erkenntnisse auf Menschen im Alltag wirken. „Die Psychologie prägt heute stark die gesellschaftlichen Vorstellungen vom guten, gesunden, gelingenden Leben“, erklärt sie. „Insbesondere interessiere ich mich für Vorstellungen von guten Eltern-Kind-Beziehungen.“ Sie stört es, dass bei solchen Studien bisher fast immer Mütter im Fokus stehen und will mit einem Teil ihres Preisgeldes ein Projekt vorbereiten, das die Väter in den Mittelpunkt rückt.
Tagung zu queer-feministischen Psychologien
Ein weiterer Teil der Summe wird in die Ausrichtung einer Konferenz zum Thema „Queere und feministische Perspektiven der Psychologie“ fließen. Recherchen von Anna Sieben und Kolleginnen hatten ergeben, dass es in Deutschland zu diesem Thema kaum Publikationen, Gesellschaften oder Zeitschriften gibt, anders als im englischsprachigen Raum. Die Vernetzung queer-feministischer Psychologien in Deutschland ist daher Ziel der Tagung, die schon zweimal stattgefunden hat und auf großes Interesse gestoßen ist.