Werkstoffforschung Programmierbare synthetische Materialien
In der DNA ist die Information in der Abfolge chemischer Bausteine gespeichert, in Computern bestehen Information aus Sequenzen von Nullen und Einsen. Dieses Konzept wollen Forscher auf künstliche Moleküle übertragen.
Künstliche Moleküle könnten eines Tages die Informationseinheit einer neuen Art von Computern bilden oder die Basis für programmierbare Substanzen sein. Die Information wäre in der räumlichen Anordnung der einzelnen Atome codiert – ähnlich wie die Abfolge der Basenpaare den Informationsgehalt der DNA bestimmt oder Sequenzen von Nullen und Einsen das Gedächtnis der Computer bilden. Einen Schritt hin zu dieser Vision haben Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und University of California in Berkeley gemacht. Sie zeigten, dass man mithilfe der Atomsondentomografie eine komplexe räumliche Anordnung von zufällig verteilten Metallatomen bestimmen kann – und somit potenziell die Information, die in einer Atomanordnung codiert wäre, wieder auslesen könnte.
In der Fachzeitschrift „Science“, online veröffentlicht am 7. August 2020, beschreibt Prof. Dr. Tong Li, Leiterin der Forschungsgruppe Atomic-scale Characterisation am Institut für Werkstoffe der RUB, zusammen mit Dr. Zhe Ji und Prof. Dr. Omar Yaghi aus Berkeley die Methode.
Metallsequenzen decodieren
Als Basis für eine Informationscodierung mit Atomen kommen sogenannte Metal-Organic-Frameworks, kurz MOFs, infrage. Dabei handelt es sich um poröse kristalline Gebilde mit einer definierten räumlichen Struktur, in die sich einzelne Atome einlagern können. Um in der Anordnung der eingelagerten Atome Informationen zu codieren, muss die Anordnung jedoch gezielt erfolgen können, veränderbar sein und auch wieder ausgelesen werden können.
Das Auslesen der Information in MOFs gelang bislang jedoch nur bei sehr einfachen räumlichen Anordnungen, die sich nicht eignen würden, um komplexe Informationen damit zu codieren. In der aktuellen Studie zeigte das Forschungsteam, das sich mittels Atomsondentomografie auch kompliziertere räumliche Anordnungen von Metallatomen bestimmen lassen. Mit dem Verfahren, für das die Bochumer Materialwissenschaftlerin Tong Li eine Expertin ist, lassen sich einzelne Atome sichtbar machen. Die Gruppe arbeitete mit dem sogenannten MOF-74, in das sie einzelne Atome Kobalt, Cadmium, Blei und Mangan zufällig einlagerte. Anschließend entschlüsselte sie deren räumliche Struktur.
Genauso raffiniert wie die Biologie
In Zukunft könnten MOFs die Basis programmierbarer chemischer Moleküle sein: So könnte ein MOF beispielsweise programmiert werden, einen pharmazeutischen Wirkstoff in den Körper einzubringen, dabei gezielt infizierte Zellen ansteuern und nicht mehr benötigten Wirkstoff zu harmlosen Substanzen abzubauen. Sie könnten aber beispielsweise auch für die Abscheidung von CO2 zum Einsatz kommen und gleichzeitig dazu dienen, das CO2 in einen nützlichen Ausgangsstoff für die chemische Industrie umzuwandeln.
„Langfristig können solche Strukturen mit einprogrammierten Atomsequenzen unsere Denkweise in Bezug auf die Materialsynthese komplett verändern“, so die Autoren. „Die synthetische Welt könnte ein ganz neues Level der Präzision und Raffinesse erreichen, das bislang der Biologie vorbehalten war.“