Das Risiko eines schweren Verlaufs von Covid-19 im Zusammenhang mit Parkinson wurde erstmals untersucht. © RUB, Kramer

Versorgungsforschung Parkinson-Erkrankte besonders stark von Covid-19 betroffen

Deutschlandweite Daten zeigen mehr schwere Krankheitsverläufe. Das könnte an der erhöhten Häufigkeit von Risikofaktoren liegen.

Im Vergleich zu Menschen ohne Parkinson zeigten Parkinson-Betroffene, die wegen Covid-19 stationär versorgt wurden, häufiger schwere Krankheitsverläufe. Auch die Sterblichkeit der Betroffenen im Krankenhaus war mit Parkinson erhöht. Das hat eine Auswertung der Daten der ersten Welle der Pandemie durch ein Team der Klinik für Neurologie am St. Josef-Hospital der Ruhr-Universität Bochum (RUB, Direktor: Prof. Dr. Ralf Gold) gezeigt. Grund dafür könnte sein, dass Patientinnen und Patienten mit Parkinson häufig auch viele Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf aufweisen. Die Querschnittsstudie stellt erstmals detaillierte landesweite Daten bereit. Das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Lars Tönges berichtet in der Zeitschrift Movement Disorders vom 4. Mai 2021.

Bundesweite Analyse der Krankenhausdaten

Das Team um Lars Tönges hat Daten zu Parkinson-Behandlungen in 1.468 Krankenhäusern analysiert. Die Daten stammen aus bundesweiten Datenbanken, in denen Informationen zu den in Krankenhäusern behandelten Erkrankungen und durchgeführten Behandlungen öffentlich gesammelt werden, zum Beispiel durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus oder das Statistische Bundesamt.

Die Parkinson-Erkrankung

Die Parkinson-Erkrankung ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Sie führt zu einer Einschränkung der Beweglichkeit, der Feinmotorik, der Balance und der Gangfunktionen. Auch Depressionen, Schlafstörungen oder Gedächtnisprobleme können mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen. Sie betrifft vor allem Menschen in der zweiten Lebenshälfte und kommt verstärkt bei Männern vor. Viele von Parkinson Betroffene haben Begleiterkrankungen wie eine koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck oder Nierenerkrankungen.

„Da genau das bedeutende Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von Covid-19 sind, stellte sich einerseits die Frage, ob stationäre Patientinnen und Patienten mit Parkinson auch häufiger einen schweren Verlauf von Covid-19 entwickeln oder daran sterben“, erklärt Erstautor Dr. Raphael Scherbaum vom RUB-Klinikum.

Andererseits hat die Covid-19-Pandemie auch Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung aller Parkinson-Betroffenen. „Steigende Zahlen von Patientinnen und Patienten zeigen, wie wichtig ein Krankenhausaufenthalt insbesondere in Krankheitskrisen ist, zum Beispiel nach einem Sturz oder bei unzureichender Wirkung der Medikamente“, so Scherbaum. Wie stark die erste Welle der Pandemie die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Parkinson reduziert hat, war bislang nicht bekannt.

Ein Vergleich zwischen der Zeit der ersten Welle vom 16. Januar bis zum 15. Mai 2020 mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs zeigte, dass Krankenhausbehandlungen aufgrund einer Parkinson-Erkrankung während der ersten Welle um fast ein Drittel zurückgegangen waren. Auf dem Höhepunkt der Welle sanken die Fallzahlen sogar um gut 70 Prozent. Grund dafür war zum einen die Sorge, sich im Krankenhaus mit dem Sars-Cov-2-Virus anzustecken. Zum anderen wurden zur Sicherstellung von Intensivkapazitäten sehr viele Behandlungen, die keine Notfälle waren, zurückgestellt.

Gebrechlichkeit steigert das Risiko

Die Analyse zeigte außerdem, dass Covid-19 bei stationär versorgten Personen mit Parkinson häufiger war als bei jenen ohne Parkinson, vor allem bei Menschen in fortgeschrittenem Alter ab 65 Jahre oder mit besonders hohem Parkinson-Schweregrad. Außerdem bestätigte sich, dass die Parkinson-Betroffenen mit Covid-19 häufiger von den bekannten Risikoerkrankungen betroffen waren. „Parkinson-Patienten sind durch die Gebrechlichkeit, die mit dem Alter und fortgeschrittenen Krankheitsstadien zunimmt, möglicherweise einem besonderen Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf ausgesetzt“, erklärt Lars Tönges. „Die Lungenfunktion kann durch häufige Begleiterkrankungen und eine Parkinson-assoziierte Atemmuskelschwäche beeinträchtigt sein. Außerdem machen Schluckstörungen anfälliger für Lungenentzündungen.“

Lars Tönges (links) und Raphael Scherbaum aus dem RUB-Klinikum St. Josef Hospital gehören zum Autorenteam der Studie. © Privat

Mehr Verstorbene als im Vorjahr

In der landesweiten Querschnittstudie der Bochumer Neurologinnen und Neurologen war die Krankenhaussterblichkeit von Covid-19-Patientinnen und -Patienten mit Parkinson höher als bei denen ohne Parkinson, vor allem bei jenen zwischen 75 und 79 Jahren. Die mit Covid-19 verstorbenen Parkinson-Erkrankten litten häufiger an einer chronischen Nierenerkrankung und wiesen im Vergleich zu den Überlebenden häufiger ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium auf. „Bemerkenswerterweise starben 2020 mehr Parkinson-Patienten in Krankenhäusern als 2019, was auch an den Covid-19-Erkrankungen liegen kann“, fasst Tönges zusammen.

„Die Studie verdeutlicht, dass trotz der aktuellen Pandemie eine optimale Behandlung von Parkinson-Patienten gewährleistet werden muss“, so das Autorenteam. Auch in Zukunft können zum Beispiel telemedizinische Angebote dabei unterstützen. Zu den Entwicklungen während der zweiten und dritten Welle werden in Kürze Daten erwartet.

Originalveröffentlichung

Raphael Scherbaum, Eun Hae Kwon, Daniel Richter, Dirk Bartig, Ralf Gold, Christos Krogias, Lars Tönges: Clinical profiles and mortality of Covid-19 inpatients with Parkinson’s disease in Germany. In: Movement disorders: official journal of the Movement Disorder Society, 2021, DOI: 10.1002/mds.28586

Pressekontakt

Prof. Dr. Lars Tönges
Leiter der Arbeitsgruppe Parkinsonerkrankungen und Bewegungsstörungen
Klinik für Neurologie
St. Josef-Hospital
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 509 2420
E-Mail: lars.toenges@rub.de

Coronaforschung an der RUB

Seit Beginn der Coronapandemie wird an der RUB zu Covid-19 geforscht –  über alle Fächergrenzen hinweg. Beteiligt sind deshalb nicht nur Medizin und Lebenswissenschaften, sondern beispielsweise auch Psychologie, Soziologie, Rechts-, Erziehungs- und Geschichtswissenschaft. Einen Überblick der Forschungsprojekte findet sich online.

Veröffentlicht

Mittwoch
19. Mai 2021
09:05 Uhr

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