Virologie Chemisch veränderte Pflanzenstoffe wirken gegen das Hepatitis-E-Virus
Rocaglamide aus Mahagonipflanzen wecken die Hoffnung auf die Entwicklung eines antiviralen Medikaments.
Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist weit verbreitet, und bisher gibt es kein wirksames Medikament. Auf der Suche danach sind die sogenannten Rocaglamide in den Fokus gerückt: Pflanzenstoffe, die die Vermehrung von Viren hemmen können. Forschende der Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben eine Bibliothek chemisch veränderter Rocaglamide auf ihre antivirale Wirkung untersucht, die ein Team aus Boston erstellt hat. Dabei stach besonders eine Gruppe von Wirkstoffen hervor, die über eine sogenannte Amidino-Gruppe verfügt. Sie hemmte die Virenvermehrung besonders effektiv. Das Team um Dimas F. Praditya, Mara Klöhn und Prof. Dr. Eike Steinmann berichtet in der Zeitschrift Antiviral Research vom 18. Juni 2022.
Pflanzenstoffe hemmen die Vermehrung von Krebszellen und Viren
Rocaglamide sind eine Gruppe von pflanzlichen Stoffen, die von verschiedenen Mahagonipflanzen produziert werden. Es ist bekannt, dass sie eine hemmende Wirkung auf die Vermehrung mancher Krebszellen besitzen. Erst 2008 wurden erstmals Erkenntnisse über ihre antivirale Wirkung gegen RNA-Viren veröffentlicht: So können sie zum Beispiel die Vermehrung von Ebolaviren, HEV, Zikaviren oder auch Sars-Cov-2 hemmen.
Das Bostoner Team um Prof. Dr. John Porco Jr. hat eine Bibliothek von Rocaglamiden mit verschiedenen chemischen Veränderungen erstellt. „Die Kernstruktur der insgesamt 205 Substanzen ist immer gleich, und daran wurden verschieden große oder flexible chemische Gruppen angehängt“, erklärt Mara Klöhn. Diese 205 Substanzen hat die Bochumer Gruppe auf ihre Wirksamkeit gegen HEV in Zellkultur getestet. Dazu verwendeten die Forschenden Krebszelllinien und HEV-Genome, die mit einem Reportergen versehen sind. Anhand der Menge des produzierten Proteins, dessen Bauplan in diesem Reportergen liegt, können sie genau messen, wie erfolgreich sich das Virus in Anwesenheit verschiedener Substanzen vermehrt.
Veränderte Rocaglamide wirken stärker als naturbelassene
Wie stark eine Substanz die Vermehrung der Viren hemmt, geben die Forschenden mittels einer sogenannten mittleren inhibitorischen Konzentration an. Je niedriger sie ist, umso besser wirkt die Substanz. „Die mittlere inhibitorische Konzentration unserer drei besten getesteten Rocaglamide liegt zwischen 0,5 und 3 nanomolar“, berichtet Mara Klöhn. „Zum Vergleich: Der des natürlichen Rocaglamids Silvestrol liegt bei drei bis sieben nanomolar.“ Eine Gemeinsamkeit der Top-3-Rocaglamide ist eine angehängte Amidino-Gruppe.
Da Rocaglamide auch eine zellschädigende Wirkung haben, die sich besonders bei Krebszellen bemerkbar macht, untersuchten die Forschenden diese Toxizität auch an gesunden Leberzellen vom Schwein. „Hier war die Toxizität geringer als in der Zellkultur, die ja auf Krebszelllinien basiert“, so Mara Klöhn. Weitere Studien müssten die Wirksamkeit und Toxizität der erfolgreichsten getesteten Substanzen im Organismus untersuchen. „Man könnte auch versuchen, die besten Amidino-Rocaglamide chemisch weiter zu optimieren, sodass sie noch stärker gegen die Virusvermehrung wirken“, blickt sie optimistisch in die Zukunft.