Medizin Mehr multiresistente Keime seit Beginn des Ukrainekriegs
Die Erreger erreichen mit Geflüchteten und Kriegsverletzten deutsche Krankenhäuser. Forschende empfehlen Kliniken ein vorsorgliches Screening.
Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine werden in deutschen Krankenhäusern auffällig viel häufiger bestimmte Krankenhauserreger nachgewiesen, die gegen viele Antibiotika resistent sind. Der Erreger Klebsiella pneumoniae ist aufgrund einer Kombination zweier Enzyme auch resistent gegen die Reserveantibiotika der Carbapeneme. Zusammen mit dem Robert Koch-Institut (RKI) hat das an der Ruhr-Universität Bochum ansässige Nationale Referenzzentrum (NRZ) für gramnegative Krankenhauserreger nachweisen können, dass viele der gemeldeten Fälle mit Patientinnen und Patienten aus der Ukraine in Zusammenhang stehen. Die Forschenden empfehlen daher, diese Gruppe vor der Aufnahme ins Krankenhaus auf den Keim zu untersuchen. Sie berichten in der Zeitschrift Eurosurveillance vom 15. Dezember 2022.
Auffälliger Zusammenhang lässt sich nachweisen
Die betroffenen Isolate des Bakteriums Klebsiella pneumoniae, die seit dem Frühjahr 2022 stark vermehrt in Proben aus deutschen Kliniken nachgewiesen wurden, produzieren eine Kombination aus zwei verschiedenen sogenannten Carbapenemasen, die in der Lage sind, die Reserveantibiotika zu spalten: NDM-1 und OXA-48. „Uns ist aufgefallen, dass viele der betroffenen Proben einen Bezug zur Ukraine hatten, dass die entsprechenden Patientinnen und Patienten beispielsweise von dort geflüchtet waren oder als Kriegsverletzte in Deutschland ins Krankenhaus eingeliefert wurden“, erklärt Dr. Niels Pfennigwerth vom NRZ. Weitere Untersuchungen konnten belegen, dass tatsächlich ein Zusammenhang besteht, der sich auch in den Meldezahlen des Robert Koch-Instituts darstellte.
„Unsere Analysen haben gezeigt, dass es in der Folge der Hospitalisierung ukrainischer Patienten sehr wahrscheinlich bereits zu Ausbruchsgeschehen in Deutschland mit diesen Bakterienstämmen gekommen ist“, so Niels Pfennigwerth. Das Team von NRZ und RKI empfehlen deswegen ein vorsorgliches Screening von Personen mit Bezug zur Ukraine bei Aufnahme in deutschen Krankenhäusern. „Sollte sich dabei bestätigen, dass die Person mit dem Erreger besiedelt ist, wird sie im Krankenhaus isoliert, und es werden sehr strenge Hygienemaßnahmen getroffen“, so der Forscher.
Ansonsten gesunde Menschen bemerken von der Besiedlung mit derlei Keimen oft nichts. Im Krankenhaus können die Erreger jedoch vor allem über die Hände des Personals auf Personen übertragen werden, die aufgrund von Erkrankungen oder Verletzungen stark vorgeschädigt sind. In diesem Fall kann Klebsiella pneumoniae unter anderem Lungenentzündungen, Wundinfektionen oder Harnwegsinfekte auslösen. Aufgrund der Resistenz sogar gegen Reserveantibiotika, die ausschließlich schweren Fällen vorbehalten sind, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist dann im schlimmsten Fall überhaupt keine Behandlung mehr möglich.