Didaktik Weniger Bedrohung – bessere Leistung in Prüfungen
Es macht viel aus, ob jemand eine Prüfung als Herausforderung oder als Bedrohung wahrnimmt. Prüfende können darauf Einfluss nehmen.
Die Atmosphäre während einer mündlichen Prüfung trägt dazu bei, ob Prüflinge sie eher als bedrohlich oder als herausfordernd wahrnehmen. Wer die Situation eher als Herausforderung nimmt, ist weniger gestresst und erbringt bessere Leistungen. Das haben Dr. Nina Minkley aus der Didaktik der Biologie der Ruhr-Universität Bochum, Marco Schickel und Prof. Dr. Tobias Ringeisen von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin in einer Studie mit über 100 Versuchspersonen belegt. Sie raten Prüfenden dazu, zum Stressabbau beizutragen, zum Beispiel durch Informationen zu den Prüfungsanforderungen und eine freundliche Atmosphäre. Sie berichten in der Zeitschrift Contemporary Educational Psychology vom 6. März 2023.
Herausforderung und Bedrohung sind unabhängig voneinander
Viele Menschen kennen Angst vor Prüfungen, die wenigsten wären vor einer mündlichen Präsentation nicht zumindest aufgeregt. Das Forschungsteam hat die körperlichen und psychischen Reaktionen vor und während einer solchen Präsentation genauer unter die Lupe genommen. Dazu ließen sie 123 Versuchspersonen vor neutral reagierenden Prüfenden über ihre Eignung für ihren Traumjob referieren. Vor und nach diesem Auftritt entnahmen sie den Prüflingen Speichelproben, in denen sie die Konzentration des Stresshormons Cortisol bestimmten. Zusätzlich stellten sie ihnen Fragen, die Aufschluss darüber gaben, ob die Versuchspersonen die Situation eher als bedrohlich oder als herausfordernd wahrnahmen. Die Adjektive „zuversichtlich“, „hoffnungsvoll“ und „optimistisch“ standen dabei für die Herausforderung, „besorgt“, „sorgenvoll“ und „beunruhigt“ standen für Bedrohung.
„Die Wahrnehmung von Bedrohung und die Cortisolkonzentration stiegen während der Präsentation an, während die Herausforderung abnahm. Herausforderung und Bedrohung zeigen also gegensätzliche Verläufe und können unabhängig voneinander auftreten“, berichtet Nina Minkley. „Sinkendes Cortisol und geringere Bedrohung stehen in Zusammenhang mit besserer Präsentationsleistung.“ Besonders die Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit reduzierte die Cortisolausschüttung und führte dazu, dass die Versuchspersonen die Situation eher als Herausforderung ansahen denn als Bedrohung.
Möglichkeiten für Prüfende
„Diese Erkenntnis ist besonders interessant, weil sie Möglichkeiten aufzeigt, den Stress in mündlichen Prüfungen zu reduzieren“, so Nina Minkley. „Zum Beispiel könnten Prüfende die Prüflinge im Voraus über die Bedingungen und Anforderungen der Präsentationssituation informieren, um die anfängliche Bedrohungswahrnehmung so gering wie möglich zu halten.“ Außerdem könnten Prüfende gleich zu Beginn eine freundliche und unterstützende Atmosphäre schaffen, wenn die Vortragenden den Raum betreten, emotionaler reagieren und verhaltensbasiertes Feedback geben.