Psychologie Neues Gruppen-Trainingstool zur Vorbeugung von Demenz
Das System ist bereits in Altersheimen im Einsatz. Wie gut es funktioniert, haben Bochumer Forschende in einer wissenschaftlichen Studie überprüft.
Gemeinsam in der Gruppe ein Quiz lösen und sich dabei bewegen müssen – auf diese Kombination setzt ein neues Tool für das Training gegen Demenz. Forschende haben es im Projekt „go4cognition“ mit Industriepartnern entwickelt, evaluiert und zur Marktreife gebracht. Wie wirksam das Training mit dem System ist, beschreiben Vanessa Lissek und Prof. Dr. Boris Suchan von der Ruhr-Universität Bochum mit Stefan Orth von der Firma Ontaris im Journal of Alzheimer Disease. Der Artikel ist am 30. April 2024 online erschienen.
„Im Projekt haben wir ein komplett neues System entwickelt, mit dem man trainieren kann, um Demenz vorzubeugen“, sagt Boris Suchan. „Es ging uns speziell darum, ein Tool für das Training in der Gruppe zu konzipieren, weil das zu sehr guten Ergebnissen führt und die Akzeptanz steigert. Alle Teilnehmer*innen können voneinander profitieren und auch lernen.“
Mit dem Staffelstab von Quizstation zu Quizstation
Das neue System ist für Gruppen von sieben bis zehn Personen konzipiert. Es besteht aus sechs im Raum verteilten Stationen, die mit einem Tablet ausgestattet sind. Auf den Tablets werden Aufgaben präsentiert, bei denen es etwa um das Erinnern von Bundeskanzlern oder Zahlenreihen geht oder eine Weltreise zu bestimmten Orten geplant werden muss. Um die Aufgaben bearbeiten zu können, muss sich ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin zu der entsprechenden Station bewegen und einen mit einem Mikrochip ausgestatteten Staffelstab in eine spezielle Vorrichtung stecken. „So können wir digital erfassen, wie lange die Bearbeitung gedauert hat und ob die Antwort richtig war“, erklärt Boris Suchan. Da jede und jeder einen eigenen Staffelstab hat, kann die individuelle Leistung ausgewertet werden.
Detaillierte Einblicke in das System gibt die Projektwebseite.
Kognitive Beeinträchtigungen reduzierten sich durch das Training erheblich
Das System testeten die Forschenden mit 30 Freiwilligen zwischen 60 und 89 Jahren, die mit Mild Cognitive Impairment diagnostiziert waren; sie zeigten also in neuropsychologischen Tests moderate kognitive Beeinträchtigungen. „Die Menschen sind bei ihren alltäglichen Aktivitäten nicht eingeschränkt, haben aber ein erhöhtes Risiko im weiteren Verlauf eine Demenz zu entwickeln“, sagt Boris Suchan. Mild Cognitive Impairment tritt bei 15 bis 20 Prozent der Menschen über 60 Jahren auf.
Die Teilnehmenden trainierten sechs Wochen lang an zwei Tagen pro Woche mit dem go4cognition-System. Nach dem Training war bei 70 Prozent von ihnen kein Mild Cognitive Impairment mehr feststellbar.
System bereits in Altersheimen im Einsatz
Vermarket wird das Gruppen-Trainingstool von der Firma Ontaris. „Es wird bereits in Altersheimen, zum Beispiel in Oberhausen, eingesetzt – auch für Bewohnerinnen und Bewohner, die noch keine Mild-Cognitive-Impariment-Diagnose haben“, sagt Boris Suchan und gibt einen Ausblick. „Wir überlegen, das System künftig auch für Menschen mit erworbener Hirnschädigung zu erproben.“
Menschen, die keinen Zugang zum go4cognition-System haben, aber trotzdem etwas tun wollen, um Demenz vorzubeugen, rät der Bochumer Forscher, körperlich und geistig aktiv zu sein und sich gesund zu ernähren. „All das hilft, Demenz vorzubeugen oder sie zumindest so lange wie möglich hinauszuzögern“, so Suchan. Im Rahmen des go4cognition-Projekts veröffentlichte er dazu mit Kolleginnen und Kollegen einen Review-Artikel.