
Seit 20 Jahren befasst sich Peter Wick mit dem Thema Geheimnis. Über 400 Seiten hat er dem Ergebnis seiner Forschung zu Mysterien im Evangelium gewidmet. Das Buch ist 2023 im Verlag Brill Schöningh erschienen.
Theologie Der Kult ums Korn
Seit dem 4. Jahrhundert vor Christus war der Demeter-Kult der wichtigste antike Fruchtbarkeitskult. Elemente davon finden sich auch in der Bibel wieder.
Antike Mysterienkulte haben Spuren im Neuen Testament hinterlassen. Welche, hat Theologe Prof. Dr. Peter Wick von der Ruhr-Universität Bochum erforscht. Elemente des Demeter-Furchtbarkeitskults tauchen beispielsweise im Johannes- und Markus-Evangelium auf, obwohl sie in den jüdischen Grundlagen des Christentums, dem Alten Testament, nicht vorgesehen waren. „Ich bin überzeugt, dass manche Evangelisten Elemente aus den antiken Kulten gezielt übernommen haben – und zwar nicht nur, um sich besser verständlich zu machen, sondern um die Lehre zu bereichern“, fasst Peter Wick zusammen. Er berichtet über seine Arbeit im Wissenschaftsmagazin Rubin der Ruhr-Universität Bochum.
Tod als Voraussetzung für neues Leben
Der Demeter-Kult war seit dem 4. Jahrhundert vor Christus der wichtigste antike Fruchtbarkeitskult. Für die Menschen war Getreide in der Antike die Basis der Ernährung. Sie konnten aber nicht das gesamte geerntete Korn zu Mehl mahlen. Ein Teil wurde neu ausgesät. „Dieses Korn wurde für die Menschen quasi vernichtet, sie konnten es nicht mehr sehen“, so Wick. „Das war die Voraussetzung für neue Ähren im nächsten Jahr. Damit einher ging der Glaube, dass der Tod die Voraussetzung für neues Leben ist.“
Durch die Fruchtbarkeitskulte entwickelte sich also der Glaube an einen Zyklus Leben – Tod – Leben. Nicht nur im Demeter-Kult, auch in vielen anderen antiken Kulten, die daraus entstanden, waren ähnliche Muster zu finden.
Elemente aus Mysterienkulten halten Einzug ins Neue Testament
Im Alten Testament, also in den jüdischen Grundlagen des Christentums, fand sich diese positive Todesdeutung nicht. „Gott war der Gott des Lebens. Der Tod war der letzte Feind und Gott war größer als dieser Feind“, beschreibt Wick die damalige Vorstellung. Das änderte sich im Neuen Testament. So lässt der Evangelist Johannes Jesus in Kapitel 12 beispielsweise sprechen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ Der Tod wird plötzlich zur notwendigen und positiven Voraussetzung zum Leben. „Dieser Inhalt stammt nicht aus den jüdischen Quellen, sondern spiegelt das Ritual des Demeter-Kults wider“, so Wick.
Anleihen an den Demeter-Kult finden sich auch im Markus-Evangelium, beispielsweise das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat. Bei den Evangelisten Matthäus und Lukas hingegen taucht dieses Gleichnis nicht auf, obwohl sie eigentlich das Markus-Evangelium als Vorlage nutzten. „Ihnen hat es anscheinend nicht gefallen“, deutet Wick. „Sie haben es gezielt nicht übernommen. Wir sehen hier Spuren eines Diskurses im frühen Christentum, wie weit es als jüdische Bewegung Elemente aus seiner religiösen Umwelt übernehmen darf.“
Ausführlicher Artikel im Wissenschaftsmagazin Rubin