In der Natur lernen: Mit verschiedenen interaktiven Methoden haben Studierende den Themenkomplex Krise erarbeitet. © Nora Lemjimer

Exkursion Studieren in der Natur

Wie ein Lernangebot im Wald funktioniert.

An der Fakultät für Psychologie hat es im März 2024 eine mehrtägige Exkursion in den Westerwald gegeben, bei der Studierende die Wurzel der aktuellen gesellschaftlichen Krisen mit verschiedenen Konzepten erforscht haben. Sascha Kuhn erzählt im Interview, was das Besondere an dem Lehrangebot war.

Herr Kuhn, warum haben Sie das Thema des Seminars Polykrise mit einer Exkursion in den Westerwald verknüpft?
Die Verknüpfung des Seminarthemas mit einer Exkursion in den Westerwald dient dazu, den Studierenden eine unmittelbare Erfahrung der Natur und eine Verbindung zu ihr zu ermöglichen. Durch den Aufenthalt im Freien und die direkte Auseinandersetzung mit den Elementen können die Teilnehmer*innen ihre Verbindung zum Lebensnetzwerk erleben und reflektieren, wie sie in der Natur und im globalen Kontext positioniert sind. Sie haben Raum, sich mit den großen Herausforderungen der Zeit intensiv in der Gemeinschaft auseinanderzusetzen.

Kritische Reflektion der Krisen

Was ist das Ziel der Exkursion gewesen?
Das Ziel der Exkursion war es, den Studierenden ein tieferes Verständnis für die historischen und strukturellen Ursachen der bestehenden Krisen zu vermitteln und sie dazu zu ermutigen, diese kritisch zu reflektieren. Zudem sollten die Teilnehmer*innen ihre eigene Positionierung in der Moderne erkennen und lernen, wie sie den globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Artensterben und sozialen Ungleichheiten begegnen können.

Oft beschäftigen sich Studierende mit diesen schweren Themen meist nur kognitiv und eher alleine am Schreibtisch oder in der Vorlesung. Die Exkursion soll es ermöglichen, dass die Studierenden sich auch emotional und körperlich in der Gemeinschaft der Gruppe mit den Themen beschäftigen können. Dadurch soll die Fähigkeit gefördert werden, den Problemen der Moderne weiterhin ins Auge schauen zu können, ohne dabei in Ohnmacht zu fallen.

Für die Exkursion haben Studierende ein Zeltlager im Westerwald aufgeschlagen. © Nora Lemjimer

Welche Krisen wurden besprochen? Und wie?
In der Exkursion hatten Studierende den Raum, sich mit den Polykrisen zu beschäftigen, aber vor allem verschiedene Unterdrückungsformen wie Patriachat, Kolonialität und Rassismus wurden thematisiert. Diese wurden durch interaktive Naturverbindungs- und kritisch-pädagogische Workshops sowie Diskussionen bearbeitet. Das Angebot beruht auf dem Bildungskonzept Global Citizenship Education (GCE) und basiert auf Wissen aus der kritischen Umweltpsychologie und den Bildungswissenschaften. Es baut gleichzeitig interdisziplinäre Brücken zur Ökologie, Botanik, Geografie und Ökonomie. Es kamen Methoden aus der Naturkultur- und Waldpädagogik sowie aus der kritischen Pädagogik zum Einsatz.

Was war die Herausforderung im Vergleich zu einem normalen (Block-) Seminar?
Die Herausforderung bei dieser Exkursion im Vergleich zu einem normalen Seminar lag darin, dass die Teilnehmer*innen längere Zeit im Freien verbrachten und sich intensiv mit den Elementen der Natur auseinandersetzten. Die Zeit im Freien erforderte einiges vom Körper ab und die Auseinandersetzung über mehrere Tage in der Gruppe ist emotional wesentlich intensiver als ein normales Seminar. Viele der Teilnehmenden kannten sich vorher noch nicht und haben über die Zeit neue Freund*innenschaften geknüpft.

Wissenschaftliche Auswertung

Was ist das Ergebnis der Exkursion?
Das Ergebnis lässt sich so noch nicht ganz abschätzen. Das Angebot wird wissenschaftlich begleitet und die Auswertung fängt jetzt erst an. Das heißt, es wurden Daten in Form von mehreren Fragebögen erhoben. Außerdem wird im Anschluss eine Studierende im Rahmen ihrer Bachelorarbeit Interviews durchführen. Dadurch erhoffen wir uns, genauer erfahren zu können, was solch ein Lernangebot bewegen kann.

Haben Sie einen besonderen Lerneffekt bei den Teilnehmenden beobachtet?
Ja, ich hatten den Eindruck, dass die Teilnehmenden nach der Exkursion ein kritisches Bewusstsein für ihre Verbindung zur Natur und ihre Verantwortung gegenüber den globalen Herausforderungen entwickelten. Sie zeigten eine erhöhte Sensibilität für Themen wie soziale Ungleichheit, Umweltzerstörung und waren motiviert sich in der Gruppe zusammenzuschließen.

Ich bin sehr gespannt, was die Studierenden jetzt selbst aus diesem Impuls entwickeln. Von Studierenden habe ich mitbekommen, dass sich ein Großteil von ihnen auch über das Seminar hinaus weiterhin treffen und mit den Themen beschäftigen möchte.

Veröffentlicht

Donnerstag
18. April 2024
10:10 Uhr

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