„Es war cool, bei Crealize erst mal als Vollzeitangestellter die Idee ausarbeiten zu können, um dann eine Firma zu gründen, die finanziell direkt gut aufgestellt war“, sagt Rouven Kosel.
© Cheww GmbH

Gründung Vom Einbaubüro zum zuckerfreien Frühstück

Wie eine Geschäftsidee beim Pitch nicht überzeugte und trotzdem zum Ziel führte, erzählt Rouven Kosel im Interview.

Das World Factory Start-up Center (WSC) der Ruhr-Universität Bochum beginnt eine Kooperation mit dem Company-Creator Crealize aus Essen und kann so angehende Gründer und Gründerinnen noch besser unterstützen. Den Weg dafür bereitete Rouven Kosel, der während seines Management-and-Economics-Studiums an der Ruhr-Universität beschloss, ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Rouven, was hat dich dazu bewogen, Gründer zu werden?
Die Idee kam zwischen meinem zweiten und vierten Studiensemester auf. Zu Beginn ging es mir nur darum, von überall auf der Welt aus arbeiten zu können. Das hat sich vor allem durch meine Zeit im Ausland ausgeprägt und ist zu dem Entschluss gereift, mein eigener Chef werden zu wollen.

Im Studium habe ich gemerkt, dass mir die strategischen Themen besonders lagen. Ich fand es immer interessant, das große Ganze zu sehen: alle Facetten eines Unternehmens kennenzulernen und diese miteinander verbinden zu können. Also habe ich angefangen, erste Ideen auszuarbeiten – alleine und mit Kollegen. Mit meiner besten Idee bin ich zum WSC gegangen, um mich beraten zu lassen.

Ursprünglich hatte ich etwas ganz anderes vor.

Wie kamst du auf Zahnpflegeprodukte und dein Start-up Cheww?
Ursprünglich hatte ich etwas ganz anderes vor. In der Corona-Zeit waren meine Freundin und ich in der Situation, dass einer im Wohnzimmer gearbeitet hat und einer in der Küche. Danach hat man den Laptop zugeklappt, saß zu Hause auf seiner Couch und war irgendwie immer noch im Büro. Da hatte ich die Idee, kleine Bürocubes im Industrial-Style aus Glas und Stahl in Wohnungen einbauen zu lassen, um eine klare physische und psychische Abgrenzung zu schaffen. So hätte man ein räumlich getrenntes Büro, das sich durch die Steuerersparnis möglichst selbst finanzieren sollte. Damit bin ich dann zum WSC gegangen.

Welche Hilfen hast du dort bekommen?
Das WSC-Team hat mich beraten, wie man das Start-up aufbauen könnte, und wo ich mir Unterstützung holen kann. Das waren tolle Infos. Außerdem hat es sehr viel Spaß gemacht, mit den Leuten zusammenzuarbeiten. Ich habe mich dort immer wohlgefühlt – was sehr wichtig ist, da bei der Gründung die Komfortzone oftmals verlassen werden muss. Mein Vorwissen hatte ich nur aus verschiedenen Kursen, aber die Theorie ist etwas ganz anderes, als eine eigene Idee umzusetzen. Das WSC hat mir in den relevanten Bereichen richtig gut geholfen.

Gleichzeitig habe ich mit meinem langjährigen Freund Carsten Hinzer gesprochen, der zu der Zeit schon bei Crealize gearbeitet hat. Crealize baut selbst Unternehmen auf, investiert aber auch in Start-ups. Carsten fand meine Idee cool und hat mir einen Pitch organisiert. Den habe ich gemeinsam mit den Kollegen vom WSC ausgearbeitet.

Wie lief der Pitch bei Crealize?
Gepitcht habe ich vor einem der Gründer von Crealize, Jacob Fatih, und zwei Geschäftsführern aus dem Immobilien-Hub. Somit habe ich gleich ein Feedback von Leuten bekommen, die sich im relevanten Bereich auskannten. Gegangen bin ich mit der Aussage, dass die Umsetzung wahrscheinlich zu teuer wäre.

Zum größten Teil spricht man damit Mieter an, die nicht allein über so etwas entscheiden können. Deshalb ist das etwas schwer zu durchdenken. Vielleicht habe ich es auch nicht geschafft, alles so gut zu erklären, wie ich es mir vorgestellt hatte, sodass es finanziell für die einzelnen Parteien gut aufgeht.

Zahnpflege fand ich schon immer interessant. Weiße und gesunde Zähne sind dabei natürlich das Ziel.

Hast du die Idee trotzdem weiterverfolgt?
Nebenbei, ja. In den nachfolgenden Monaten habe ich mich erst mal auf meine Masterarbeit konzentriert. Gerade als ich sie fertig hatte, kam Crealize noch mal auf mich zu. Sie hatten gerade einen E-Commerce-Bereich gegründet. Dafür wollten sie fünf bis sieben neue Start-ups gründen und haben mich gefragt, ob ich bereit wäre, mir neben meiner eigenen Idee auch etwas anderes anzugucken.

Was hat Crealize dir vorgeschlagen?
Ich habe mir ihre Ideen angehört, sie sich meine und dann sind wir mit Inspirationen aus Amerika ganz schnell auf das Thema nachhaltige Zahnpflege gekommen. Zahnpflege fand ich schon immer interessant. Weiße und gesunde Zähne sind dabei natürlich das Ziel. Es ist aber auch spannend, was alles dahintersteckt, welche Möglichkeiten es gibt. Ab Mai 2021 hat Crealize mich dann als Entrepreneur In Residence eingestellt. Ich habe ein ganz normales, kleines Gehalt bekommen und wir haben mit der Ausarbeitung losgelegt.

Welche Unterstützung bietet Crealize Gründern an?
Zum einen fungiert Crealize als Investor, aber vor allem machen wir Company-Building. Jemand mit einer guten Idee hat hier die Chance, eine gemeinsame Firma auszugründen und als Geschäftsführer zu agieren. In diesem Fall ist Crealize Co-Founder und Investor. Wir bringen also unser Wissen mit ein und helfen bei allen anstehenden Themen. Zudem bietet Crealize ein Darlehen zur Anschubfinanzierung.

Wie lief die Finanzierung bei Cheww?
Crealize war zuerst hundertprozentiger Gesellschafter der Firma, hat also auch das komplette Kapital eingebracht. Wir haben mit der Gründung dann eine Option erhalten, die es uns bei einer bestimmten Zielerreichung ermöglicht hat, 25 Prozent der Anteile der Firma zum Nennwert zu erwerben. Ich musste also zuerst kein eigenes Geld einbringen. Mit diesem Konzept bietet Crealize angehenden Gründern eine unfassbar geniale Chance.

Kann ein angehender Gründer auch den Großteil seiner Firmenanteile selbst halten?
Das geht schon. Denn sobald das Start-up einen weiteren Investor benötigt, ist es wichtig, dass das Gründerteam die Mehrheit der Anteile hält.

Kooperation zwischen WSC und Crealize

Das WSC bietet umfassende Beratung und Begleitung für angehende Gründerinnen und Gründer, sowohl strategisch als auch rechtlich. Darüber hinaus gibt es Seminare, Workshops und Talks, in denen weiterführende Kontakte geknüpft werden können. Unterstützung vom WSC erhalten Gründer-Teams bis zur Ausgründung ihrer Firma. Da das WSC auf Themen aus der Wissenschaft spezialisiert ist, ist es für Gründungen im kommerziellen Bereich sinnvoll, sich frühzeitig an die entsprechenden Spezialisten dafür zu wenden. Durch die Kooperation zwischen dem WSC und Crealize ist diese Möglichkeit nun gegeben, da Crealize auf kommerzielle Themen wie E-Commerce und Prop Tech spezialisiert ist.

Dabei ist Crealize ein Bindeglied zwischen einer reinen Beratung, wie beim WSC, und einem reinen Investor. Parallel zu einer möglichen Anstellung berät Crealize auch nach der Gründung in allen relevanten Themengebieten und bietet eine Anschubfinanzierung für die Produktherstellung. Dabei können die Mitarbeitenden auf das Wissen und die Erfahrungen von zahlreichen Gründern zurückgreifen. Zu Crealize gehört auch eine eigene Marketingagentur.

Wie hat Crealize dich unterstützt?
Durch mein Gehalt konnte ich die Idee mit Cheww in Ruhe ausarbeiten. Außerdem bekam ich Unterstützung bei regulatorischen und organisatorischen Dingen, wie der Anmeldung von Firma, Marken und Bankkonten.

Natürlich haben wir uns auch ausführlich strategisch ausgetauscht: Wie funktioniert E-Commerce, wie müssen wir die Produktpalette aufbauen, was ist rechtlich zu beachten. Zusätzlich haben wir Workshops über verschiedene Themen besucht. Diese hat oftmals auch Patrick Kaschuba von unserer Marketingagentur barkerz geleitet.

War das alles noch vor der Gründung?
Ja, erst im September 2021 haben wir die Firma ausgegründet. Ich habe das Kapital bekommen, um Produkte zu kaufen und mir weiter mein Gehalt zu bezahlen. Das wäre ohne Crealize natürlich sehr viel schwerer geworden. Gleichzeitig war es sehr cool, einen Sparringspartner zu haben, der viel Erfahrung mitbringt. Ich habe unsere Geschäftsführer darüber unterrichtet, wie ich vorgehen möchte. Sie haben das dann abgesegnet oder noch optimiert. Ich konnte sehr frei arbeiten und fast alles, was ich mir vorgenommen habe, auch umsetzen.

Habt ihr die Produkte für Cheww selbst entwickelt?
Nein, wir wollten erst mal ausprobieren, wie unser Konzept funktioniert. Deshalb haben wir auf renommierte Hersteller zurückgegriffen und von ihnen die Produkte herstellen lassen.

Was war die größte Hürde bei der Gründung?
Die Produktentwicklung- und Beschaffung. Das lag auch an den Pandemie-bedingten Logistik-Engpässen. Ich habe die Herstellung der Produkte Ende Oktober 2021 in Auftrag gegeben und sie im August 2022 erhalten. In der Zwischenzeit konnte ich kein Geld verdienen, obwohl eigentlich alles stand.

Durch die Energiekrise und die Inflation liegen jetzt ganz andere Bedingungen vor als noch vor einem Jahr. Die Leute gehen viel vorsichtiger mit ihrem Geld um, was ja auch wichtig ist. Dadurch bekommen wir mit unseren Premium-Produkten jedoch ein Problem: Es ist teurer, gepresste Zahnpflegetabletten mit hochwertigen Inhaltsstoffen in einem Glastiegel anzubieten, als eine konventionelle Zahncreme in eine Plastiktube zu pressen.

Zahnpflege im Abo

Was hattet ihr ursprünglich vor?
Geplant war, verschiedene Zahnpflege-Sets anzubieten. Entsprechend groß haben wir die Produktpalette angelegt. Jetzt haben wir gemerkt, dass das mit den Sets nicht so richtig funktioniert, auch angesichts der hohen Marketingkosten Richtung Black Friday und Weihnachten. Deshalb habe ich einen Shift geplant, den ich eigentlich erst für etwa ein Jahr nach Markteinführung vorhatte: Zahnpflege im Abo anbieten. Man startet mit einem relativ geringen Preis, zahlt zwei- oder viermonatlich und bekommt die Produkte direkt nach Hause geschickt.

Wir haben das neue Modell dann mit den bestehenden wirtschaftlichen Gegebenheiten durchgerechnet. Vor einem Jahr sind wir davon ausgegangen, dass wir mit der ersten Bestellung unsere Marketingkosten wieder einnehmen würden. Das funktioniert heute aber nicht mehr. Die großen E-Commerce-Player zahlen das Doppelte oder Dreifache drauf und sind erst nach einigen Monaten profitabel. Das bedeutet für uns, als kleine Firma, dass es sehr lange dauern würde, bis wir gewinnbringend arbeiten könnten. Erst dann wären wir in der Lage, weitere Investoren anzuwerben. In der Zwischenzeit würde die Finanzierungslücke aber einfach zu groß werden.

Was passiert jetzt mit Cheww?
Zusammen haben wir strategisch entschieden, dass wir unsere finanziellen Mittel und meine Kompetenz anderswo vorteilhafter einsetzen können. Und genau das machen wir. Zum 1. Dezember 2022 werde ich als COO, gemeinsam mit meinem langjährigen Freund Carsten, sein 2021 mit Crealize gegründetes Start-up Spacies leiten. Hier kann ich mich in ein Thema einbringen, das enormen Rückenwind hat und besser zu mir passt. Cheww wird somit auf Eis gelegt oder die Marke sogar veräußert.

Mit Spacies möchten wir Zucker aus dem Frühstück verbannen.

Was ist Spacies?
Mit Spacies möchten wir Zucker aus dem Frühstück verbannen und haben dafür zuckerfreie Zerealien mit hohem Proteingehalt entwickelt. So können unsere Kunden die Lieblingszerealien aus ihrer Kindheit jetzt auch ohne schlechtes Gewissen genießen. Das alles wird in einer coolen und auch mal aneckenden Marke verpackt, mit der sich unsere Zielgruppe förmlich verbrüdern kann. Gestartet über E-Commerce möchten wir natürlich, dass unsere Produkte zeitnah auch in den Supermärkten stehen.

Worum ging es dir beim Gründen?
Mir war es nicht so wichtig, meine eine Idee unbedingt durchzudrücken. Ich wusste, dass ich mein Arbeitsleben mit dem Gründen verbringen möchte. Deshalb ging es mir vor allem darum, das Handwerkszeug zu lernen, das man dafür braucht. Durch die Gründung von Cheww ist mir das gelungen und jetzt bin ich in einer Position, in der ich in den nächsten 20 bis 25 Jahren genau das machen kann, was ich möchte: Unternehmen gründen und führen.

Veröffentlicht

Freitag
25. November 2022
10:40 Uhr

Von

Carina Huber

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