Optische Pinzette Mini-Bauteile mit Laserlicht herstellen

Objekte berührungslos mit Licht festhalten und bewegen – das klingt nach einer Vision aus Science-Fiction-Filmen. Am Lehrstuhl für Laseranwendungstechnik ist das Alltag.

Wenn das Raumschiff Enterprise nicht vor einem feindlichen Angreifer fliehen kann oder der Milllennium Falke in Star Wars von einer unsichtbaren Kraft zum Todesstern gezogen wird, sind sogenannte Traktorstrahlen am Werk. Ein gern genutztes technisches Hilfsmittel in Science-Fiction-Filmen, das allerdings genau wie intergalaktische Raumschiffe auf seine Realisierung warten lässt. Zumindest im großen Maßstab.

Auf mikroskopischer Ebene sind Traktorstrahlen längst im Einsatz. Am Lehrstuhl für Laseranwendungstechnik eigentlich jeden Tag. Das Team um Prof. Dr. Cemal Esen nutzt Laserlicht, um damit winzige Objekte festzuhalten und zu bewegen. Die so manipulierten Partikel haben allerdings gerade einmal eine Größe von 0,5 bis 20 Mikrometern und sind somit noch kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares.

Cemal Esen (links), Sarah Ksouri und Jannis Köhler entwickeln winzige Objekte, die sich mit der optischen Pinzette zu größeren Strukturen zusammensetzen lassen. © Damian Gorczany

Genau darin liegt der Clou. Denn die vom Menschen entwickelten technischen Bauteile sind extrem filigran geworden, und in Zukunft werden sie noch kleiner sein. So klein, dass man sie mit den feinsten Pinzetten nicht mehr fassen kann. Hier kann die optische Pinzette helfen, deren Greifarme aus stark fokussiertem Laserlicht bestehen.

Licht übt auf winzige Objekte eine Kraft aus, die diese immer zum Ort der stärksten Intensität im Laserstrahl zieht, zumindest wenn die Objekte kugelförmig sind. Da die wirkende Kraft ziemlich klein ist – etwa ein Billionstel Newton – lassen sich mit der Technik wahrlich keine Raumschiffe bewegen. Aber für die Manipulation mikroskopisch kleiner Teilchen ist die optische Pinzette in der Forschung zu einem Standardwerkzeug geworden.

Optische Pinzette

Schon 1970 erkannten Forscher, dass sie winzige Objekte mithilfe von Laserlicht berührungslos festhalten können. Licht besteht aus Teilchen, und jedes Teilchen besitzt einen Impuls, der seinen Bewegungszustand beschreibt.

Trifft ein Laserstrahl auf ein Objekt, wird das Licht an der Grenzfläche gebrochen und reflektiert. Das bedeutet, die Richtung der Lichtteilchen ändert sich, und somit ändert sich auch ihr Impuls – wie wenn zwei Billardkugeln gegeneinanderstoßen. Es wirkt also eine Kraft zwischen Lichtteilchen und Objekt. Im Fall von kugelförmigen Objekten sorgt diese Kraft dafür, dass sie zum Ort der höchsten Intensität des Laserstrahls gezogen werden.

Mit Lichtmodulatoren können Anwender Laserstrahlen so manipulieren, dass eine optische Pinzette mehrere Greifarme erhält. Sie können auch Laserstrahlen mit unterschiedlichen Intensitätsverteilungen erzeugen, mit denen sie unterschiedlich geformte Bauteile festhalten können.

Die Gruppe um Cemal Esen entwickelt die dazu passenden Bausteine, aus denen sich mithilfe des Werkzeugs größere Strukturen zusammenfügen lassen. Auch wenn es sich um Grundlagenforschung handelt, mangelt es den Ingenieurinnen und Ingenieuren nicht an Ideen, wofür die Technik eines fernen Tages nützlich sein könnte.

Mikroroboter: „Heute noch Spinnerei“

„Denkbar wäre es, aus solchen Bausteinen Mikroroboter zusammensetzen“, fantasiert Doktorandin Sarah Ksouri. „Vielleicht als Weiterentwicklung von minimalinvasiven Operationen.“ Die Mini-Maschinen könnten im menschlichen Körper etwa verschiedene Reparaturaufgaben übernehmen. „Heute ist das natürlich noch Spinnerei“, ergänzt sie.

Falls eine solche Vision irgendwann einmal wahr werden soll, muss man sehr kleine Maschinen bauen können. Die optische Pinzette ist genau für dieses Arbeiten im winzigen Maßstab gemacht. Ein weiterer Vorteil: Wenn man kleine Objekte berührungslos mit Licht festhält und bewegt, entstehen dabei keine Schäden, wie sie der Druck einer echten Pinzette verursachen könnte.

Eigentlich stellen wir uns die ganze Zeit große Sachen vor und überlegen, wie wir die Verbindungstechniken in Klein nachmachen können.


Sarah Ksouri

Allerdings ist es nicht trivial, geeignete Bausteine für dieses Verfahren herzustellen. Sie müssen sich miteinander verbinden lassen, dauerhaft zusammenhalten, aber bei Bedarf auch wieder voneinander lösen lassen. Sarah Ksouri verrät, wo die Ideen dafür herkommen. „Eigentlich stellen wir uns die ganze Zeit große Sachen vor und überlegen, wie wir die Verbindungstechniken in Klein nachmachen können“, so die Ingenieurin. Zum Beispiel die Klickverbindung von Laminat oder das Stecksystem von Legosteinen.

„Allerdings sind die Kräfte ganz andere als in der großen Welt“, gibt ihr Promotionskollege Jannis Köhler zu bedenken. „Wenn ich eine Tasse bewegen möchte, ist hauptsächlich ihr Gewicht entscheidend. Unsere Bauteile sind jedoch so klein, dass Gewicht keine Rolle spielt.“ Auf dieser Ebene zählen Oberflächenkräfte. Haftung kann zum Beispiel ein Problem sein. Wenn ein Objekt einmal auf einer Oberfläche zu liegen kommt, können die Forscher es kaum wieder losbekommen.

Sarah Ksouri und Jannis Köhler haben unterschiedliche Bausteine entwickelt und gezeigt, dass sie sich stabil verbinden lassen. Die Ingenieurin arbeitet mit winzigen Puzzleteilen, die sie mit dem Zwei-Photonen-Polymerisationsverfahren herstellt.

Für das Zwei-Photonen-Polymerisationsverfahren schickt Sarah Ksouri einen Laserstrahl durch ein Mikroskop. In einem Tropfen Fotolack belichtet der so fokussierte Strahl all die Stellen, an denen die feste Struktur entstehen soll. © Damian Gorczany

Der Prozess beginnt mit einem dreidimensionalen Computermodell von dem herzustellenden Objekt, das dann mit einer Art Mikro-3D-Drucker realisiert wird. Dafür tragen die Forscher einen Tropfen Fotolack auf ein Glasplättchen auf. Mit einem Laserstrahl belichten sie die Flüssigkeit an all den Stellen, die das Computermodell vorgibt. Überall dort, wo der Laser den Fotolack belichtet, entsteht am Ende die feste Struktur. Die restliche Flüssigkeit spülen die Ingenieure mit einer Entwicklerlösung weg.

Es ist nicht so, dass man eine Struktur erzeugt, und alles ist super.


Sarah Ksouri

„Es ist aber nicht so, dass man eine Struktur erzeugt, und alles ist super“, erzählt Ksouri. Unzählige Versuche habe sie gebraucht, bis zwei Puzzleteile endlich ineinandergepasst hätten. Wenn die Spaltabstände nicht genau stimmen oder sich die Flüssigkeit nach dem Zwei-Photonen-Polymerisationsprozess nicht richtig aus der erzeugten Struktur spülen lässt, kann es sein, dass sich die Teile nicht zusammenbauen lassen. Dann ist es oft eine mühsame Arbeit, den Fehler zu finden.

Jannis Köhler erzeugt mit dem gleichen Verfahren ganz andere Objekte. Seine drehbaren Strukturen  könnten eines Tages die beweglichen Elemente für einen Mikroroboter bilden. Er tüftelt außerdem an Bausteinen aus elastischen Polymeren, die sich leichter zusammenfügen lassen könnten als starre Materialien. Um zwei Strukturen miteinander zu verbinden, muss man eine gewisse Kraft ausüben – wie wenn man zwei Legosteine zusammensteckt. Würde das eine Element dabei ein wenig nachgeben, könnte es leichter sein, das andere hineinzudrücken.

Mit dem bloßen Auge sind die drehbaren Strukturen, die Jannis Köhler zusammengesetzt hat, kaum zu sehen. Diese Aufnahme ist unter dem Rasterelektronenmikroskop bei 5.000-facher Vergrößerung entstanden. © RUB, Lehrstuhl für Laseranwendungstechnik

Das Team vom Lehrstuhl für Laseranwendungstechnik erforscht also gleichzeitig eine ganze Reihe von Prinzipien, wie man die Zwei-Photonen-Polymerisation und die optische Pinzette sinnvoll kombinieren kann. Derzeit laufen zusätzlich Versuche mit dotierten Materialien. Diese sind mit Nanopartikeln aus bestimmten Elementen angereichert, die den Polymer-Strukturen eine besondere Funktion verleihen und sie etwa magnetisch oder elektrisch leitend machen.

Es gibt nur wenige Labore auf der Welt, die all diese Techniken gleichzeitig anwenden können.


Cemal Esen

Solche Versuche sind nur möglich, weil der Lehrstuhl die Expertise und Technik aus drei verschiedenen Bereichen zusammenbringt: Zwei-Photonen-Polymerisation, optische Pinzette und Nano-Dotierung.

„Es gibt nur wenige Labore auf der Welt, die all diese Techniken gleichzeitig anwenden können“, weiß Cemal Esen. Ein Traum seiner Gruppe ist es, die drei Verfahren eines Tages in einem Gerät zu vereinen. Dieses würde zunächst funktionslose Strukturen aus Polymeren erzeugen, sie anschließend mit Nanonpartikeln versehen, um ihnen eine bestimmte Funktion zu verleihen, und sie dann zu größeren Strukturen zusammenzusetzen. Bis dahin muss die RUB-Gruppe allerdings noch einiges an Grundlagenforschung betreiben.

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Unveröffentlicht

Von

Julia Weiler

Dieser Artikel ist am 2. Mai 2016 in Rubin 1/2016 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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