Serie Mit Wissenschaft durchs Jahr
Wenn sich die Gedanken im Kreis drehen ...
© Roberto Schirdewahn

7. Oktober Tag der Depression

Wir alle kennen Situationen, in denen sich unsere Gedanken im Kreis drehen. Doch wie kommt man aus diesem Grübeln raus? Wir fragen Dr. Tobias Teismann von der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie.

Jeder gerät von Zeit zu Zeit ins Grübeln, doch einige Menschen leiden unter fortwährenden Grübeleien, die durch kleinste Anlässe ausgelöst werden und dann schnell eine unfreiwillige, selbstquälerische und lähmende Dynamik entwickeln.

Aus einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Perspektive lassen sich verschiedene Dinge tun, um aus diesem Viel-Grübeln herauszukommen.

Wahrnehmen, dass man grübelt

Bei der Entscheidung, ob Sie in einer bestimmten Situation grübeln oder nur nachdenken, können Sie die Zwei-Minuten-Regel nutzen: Fahren Sie für zwei Minuten mit dem fort was Sie tun.

Stellen Sie sich dann drei Fragen:

  1. Bin ich mit einer Problemlösung vorangekommen?
  2. Habe ich etwas verstanden, was mir vorher noch nicht klar war?
  3. Bin ich in der Zeit weniger selbstkritisch und/oder weniger depressiv geworden?

Wenn Sie alles mit nein beantwortet haben, grübeln Sie wahrscheinlich.

Worüber wird gegrübelt?

Machen Sie sich klar: Was ist das zentrale Grübelthema, und was genau finden Sie an diesem Thema belastend? Lässt sich in Bezug auf das Grübelthema etwas tun? Lässt sich diese Frage nur mit „Nein“ beantworten, dann werden Sie körperlich aktiv, oder konzentrieren Sie sich auf etwas anderes.

Führen sie die ausgewählten Strategien über einen gewissen Zeitraum aus. Wechseln Sie die Strategien gelegentlich. Sie sollten sich zudem ein Repertoire an Strategien für verschiedene Situationen zurechtlegen (Strategien für den Arbeitsplatz, Strategien, die nachts hilfreich sind etc.).

Ablenkung ist nicht immer sinnvoll

Nun lässt sich einwenden, dass man sich nicht immer von negativen Gedanken und Erinnerungen ablenken kann. Das stimmt! Ablenkung ist sinnvoll in Situationen, in denen man aufgeregt ist, einem viele negative Gedanken durch den Kopf gehen und man beginnt, sich mehr und mehr auf die negativen Seiten des eigenen Lebens einzuschießen. Wenn Themen immer wiederkehren, wird man sich ihnen hingegen irgendwann zuwenden müssen – fortwährende Ablenkung ist hier keine Option.

Wenn Sie sich sehr oft ablenken, sollten Sie sich deshalb fragen, ob kurzfristige Ablenkung Ihnen dabei hilft, Ihre Gefühle und Gedanken so zu regulieren, dass Sie sich anschließend besser mit Schwierigkeiten auseinandersetzen können oder ob häufige Ablenkung dazu führt, dass sich Ihre Probleme eher weiter verschärfen.

Feste Grübelzeiten

Manchmal lassen sich Grübeleien besser in den Griff bekommen, wenn man sich spezielle Zeiten zum Nachdenken reserviert: Schreiben Sie sich kurz auf, worüber Sie grübeln wollen. Verschieben Sie dann den Grübelprozess auf einen späteren Zeitpunkt – aber nicht auf die Zeit kurz vor dem Schlafengehen.

Dann höchstens 20 Minuten grübeln, anschließend das Gesicht waschen und mit der normalen Alltagstätigkeit weiter machen.

„Wie“ ist besser als „Warum“

Wenn sich das Grübelthema nicht umgehen lässt, beschäftigen Sie sich mit „Wie…?“-Fragen: „Wie kann ich mein Ziel erreichen?“, „Wie sollte ich konkret vorgehen?“, „Wie kann ich hinsichtlich einer Entscheidung weiterkommen?“.

Vermeiden Sie die Auseinandersetzung mit „Warum-Fragen“ („Warum fühle ich mich bloß so? Warum habe ich nie Glück?“).

Was soll das Grübeln bringen?

In Gesprächen und wissenschaftlichen Untersuchungen zeigt sich immer wieder, dass Betroffene mit dem Grübeln auch positive Aspekte verbinden: zum Beispiel, dass sie sich vom Grübeln Lösungen für ihre Probleme oder Einsichten in die Bedeutung ihrer Erfahrungen versprechen.

Andere geben an, dass das Grübeln über vergangene Fehler ihnen dabei hilft, diese in Zukunft zu vermeiden. Manche vertreten die Ansicht, dass es besser ist sich eine pessimistische Sicht auf die Welt zu bewahren, um weniger leicht enttäuscht werden zu können. Und wieder andere finden, dass das Grübeln sie zu einer weniger oberflächlichen Person macht.

Nun wird natürlich niemand zu Hause sitzen und sagen „Oh, Grübeln wäre jetzt eine super Idee!“ Vielmehr wird eine grüblerische Auseinandersetzung mit der Zeit zur Gewohnheit und positive Erwartungen an das Grübeln tragen eher unbewusst dazu bei, dass man mit dem Grübeln beginnt. Prüfen Sie kritisch, ob sie sich entsprechende Aspekte vom Grübeln versprechen und ob das Grübeln diese Versprechen tatsächlich einhält!

Konzentrationsfähigkeit lässt sich üben

Beim Grübeln beschäftigt man sich immer wieder gewollt oder ungewollt mit den gleichen Themen. Eine exzessive Hinwendung der Aufmerksamkeit auf die eigene Stimmung oder negative Erlebnisse führt jedoch dazu, dass diese als intensiver und bedeutsamer wahrgenommen werden.

Die Durchführung eines gezielten Aufmerksamkeitstrainings kann hier helfen. Allerdings braucht es Zeit und Übung. Auf der Seite www.metakognitivetherapie.de kann ein entsprechendes Training heruntergeladen werden. Alternativ helfen auch verschiedene Meditationstechniken.

Unveröffentlicht

Von

Tobias Teismann

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