Latein So schreiben wie Cäsar
Was passiert eigentlich mit alten Schriften, die unvollständig überliefert worden sind? Ein RUB-Student hat darauf eine Antwort.
Gaius Julius Cäsar vervollständigte seine Schriftensammlung, sein Gesamtwerk, nicht selbst. Schon in der Antike ergänzten Autoren das sogenannte Corpus Caesarianum. Student Niklas Gutt ist in die Fußstapfen der antiken Schreiber getreten und hat in seiner Bachelorarbeit den Schluss eines Textes rekonstruiert. Sein Ergebnis wurde in der Zeitschrift Philologus veröffentlicht.
Niklas Gutt vervollständigte den Text Bellum Hispaniense. Dieser handelt vom Spanischen Krieg, der 46 bis 45 vor Christus stattfand. „Zum Schluss des Werkes fehlen die Überlieferungen. Sie sind verloren gegangen“, so Gutt.
Alte Methode neu entdeckt
Der Philologie-Student sah die Rekonstruktion als Herausforderung für seine Bachelorarbeit und versuchte, den Text sinnvoll zu ergänzen: „Das Werk selbst ist von jemandem geschrieben, der in der Antike schon Cäsars Werk zu Ende bringen wollte.“ Bis in die frühe Neuzeit gab es immer wieder Autoren, die alte Schriften vervollständigen wollten. Die Methode, sogenannte Supplemente zu antiken Werken zu erstellen, ist eigentlich seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr üblich. „Mich hat es interessiert, die Supplemente als wissenschaftliche Methode neu zu entdecken“, sagt Gutt.
Hier war ein Pseudo-Cäsar am Werk.
Um Cäsars Text zu vervollständigen, musste Gutt zunächst verstehen, wie Cäsar eigentlich selbst geschrieben hat. „Cäsars Sprache gilt als ein Stilideal in den antiken Schriften. Er schreibt sehr deutlich und mit einem militärischen Bezug“, erklärt Gutt. Doch im Bellum Hispaniense merke man, dass es nicht von Cäsar verfasst wurde. „Hier war ein Pseudo-Cäsar am Werk. Der Text gilt sogar als einer der schlechtesten aus der lateinischen Literatur“, sagt der Student. Für sein Supplement hat er zunächst versucht, den Text und seine Struktur zu verstehen. Er hat dafür Regelmäßigkeiten und den Stil herausgearbeitet.
Außerdem hat Gutt andere Quellen zum Spanischen Krieg herangezogen, um Informationen über den möglichen Textverlauf zu erhalten. „Im Text gibt es zwar eine Entscheidungsschlacht, aber diese führte den Krieg noch nicht zu Ende. Ich musste herausfinden, wie viel eigentlich vom Text fehlt. Ist es nur ein Satz oder sind es mehrere Seiten?“, sagt Gutt. In seiner Arbeit rekonstruierte er zwei weitere Seiten, die zeigen, dass nach der größeren Schlacht noch kleinere Gefechte folgten: „Diese kleinen Schlachten haben sich im Text vorher schon angedeutet. Deshalb konnte ich darauf schließen, dass sie noch folgen müssen.“
Ich habe bemerkt, wie man Latein aktiv in die Wissenschaftsarbeit einbeziehen kann.
Latein sei gar nicht so tot, wie es scheine, findet Gutt. „Durch meine Arbeit an dem Supplement habe ich bemerkt, wie man Latein aktiv in die Wissenschaftsarbeit einbeziehen kann“, sagt er. Inzwischen studiert er im Masterstudium Klassische Philologie und absolviert zusätzlich den Master of Education mit Latein, Griechisch und Geschichte. In der bald anstehenden Masterarbeit wird Niklas Gutt untersuchen, wie plausibel existierende Supplemente sind und wie sie die jeweiligen antiken Schreibstile nachahmen.