Serie 500 Jahre Reformation
Ökumene ist für sie Beruf: Prof. Dr. Rebekka Klein © RUB, Kramer

Evangelische Theologie Was Reformation heute bedeutet

Menschen sollten öfter mal aus den herrschenden Denkmustern ausbrechen – so wie Luther, findet Rebekka Klein. Ein Interview.

Was verbinden Sie mit Martin Luther?
„Hier stehe ich und kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“ Martin Luthers berühmter Ausspruch auf dem Reichstag zu Worms markiert seinen radikalen Austritt aus dem, was zu seiner Zeit als unbedingt richtig und gut anzusehen ist. Dabei war Luther keineswegs unfähig, sich an die geltenden Normen zu halten. Er beanspruchte vielmehr, in einer nicht mehr beherrschbaren Ausnahmesituation zu sein, um sich diesen Normen nicht unterwerfen zu müssen.

Das war für ihn eine zutiefst befreiende Erfahrung.

Was war Ihrer Meinung nach die bedeutendste Folge der Reformation, die unsere Gesellschaft heute noch prägt?
Ich würde mir wünschen, dass auch heute Menschen den Mut und die Kühnheit besitzen, aus den herrschenden Denkmustern und Zeitgeist-Ideologien auszubrechen und kritisch ihre eigene Sicht auf das Leben zu erarbeiten. Luther konnte das, weil er sich sicher war, dass er sein Seelenheil zuletzt allein vor dem gnädigen Gott und nicht vor einer sozialen Instanz verantworten muss. Das war für ihn eine zutiefst befreiende Erfahrung. So hat er die Suche nach der Wahrheit seines Lebens kompromisslos und ohne Konformitäten begonnen.

Zur Person

Prof. Dr. Rebekka Klein ist seit April 2017 Direktorin des Ökumenischen Instituts an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der RUB. Als Professorin für Systematische Theologie erforscht sie die Gegenwartsfragen des evangelischen Glaubens sowie dessen öffentliche Bedeutung. Insbesondere untersucht sie die ökumenische Transformation von Kirchen und Konfessionskulturen weltweit. Seit 2016 ist sie Mitglied der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie der Ökumenischen Arbeitsgruppe der Kammer in Verbindung mit der Deutschen Bischofskonferenz.

Was glauben Sie, wie sich die christliche Kirche in Zukunft verändern wird?
Es ist schwer vorstellbar, wie eine innere Kraft zur radikalen Neugestaltung der herrschenden Machtverhältnisse in Kirche und Gesellschaft im 21. Jahrhundert anders als durch den Glauben zustande kommen könnte. Die christlichen Kirchen sollten sich daher über die Grenzen der Konfessionen hinweg darauf besinnen, dass Reformation kein Erbe ist, das darin besteht, die kulturellen Errungenschaften der europäischen Moderne zu pflegen. Reformatorisch bleiben heißt vielmehr, unserer Gesellschaft aus der Freiheit eines Lebens vor Gott neue und ganz unerwartete Impulse zu geben.

500 Jahre Reformation

Im Jahr 2017 wird in Deutschland und anderen Ländern das 500. Reformationsjubiläum gefeiert. Auch wenn die Erneuerungsbewegung ein jahrzehntelanger Prozess war, gilt der 31. Oktober 1517 als ihr Auftakt. An diesem Tag soll Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel der Kirche und die Käuflichkeit kirchlicher Ämter veröffentlicht haben. Die Bewegung führte nicht nur, wie anfangs beabsichtigt, zu einer Reformation der römisch-katholischen Kirche, sondern zur Spaltung des westlichen Christentums. Sie wirkte aber auch weit über den religiösen Bereich hinaus und beeinflusste Wirtschaft, Politik, Recht, Kunst, Sprache und Soziales.

Veröffentlicht

Montag
09. Oktober 2017
09:24 Uhr

Von

Julia Weiler

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