Auf die Politik können wir nicht warten, meint Anna Luisa Lippold. Die Menschen müssen selbst handeln.
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Klimaethik Die Welt retten, aber nicht alleine

Warum wir nur im Kollektiv den Klimawandel stoppen können, aber trotzdem jeder Einzelne Verantwortung trägt. Philosophische Denkanstöße.

„Für den Klimawandel gibt es keine einfache Lösung auf dem Silbertablett“, betont Anna Luisa Lippold vom Arbeitsbereich Angewandte Ethik. „Ich möchte erarbeiten, welche Lösungen wir überhaupt haben und welche davon die erfolgversprechendsten sein könnten.“ Wie sich die Lösungsansätze und das Problem selbst in klare Worte fassen lassen, untersucht die Ethikerin in ihrer Doktorarbeit zum Thema „Klimawandel und individuelle moralische Pflichten“.

Die eigene moralische Verantwortung zu erkennen ist laut Lippold nicht immer leicht: „Wenn ich morgens mit dem Auto zum Bäcker fahre, bin ich allein – isoliert betrachtet – nicht für den Klimawandel verantwortlich. Doch schnell entsteht ein Kausalitätsproblem zwischen Ursache und Wirkung: Die einzelne Autofahrt mag zwar keinen messbaren Effekt auf den Klimawandel haben. Aber wenn viele kollektiv so handeln, hat es sehr wohl einen moralisch relevanten Einfluss.“

Politik ist zu langsam

Der Klimawandel sei als kollektives Phänomen auch nur von Kollektiven zu lösen, so die Ethikerin. Das beschränke sich nicht auf die politische Ebene, wie sie betont: „Wir haben zwar das Klimaabkommen und das ist auch gut so. Aber sehr effektiv ist es bislang nicht. Politik braucht eben sehr viel Zeit. Daher sind die Menschen selbst gefordert, kollektiv zu handeln.“

Lippold sieht nicht nur die Verursacher in der Verantwortung: „Es gibt mindestens drei Gruppen, die moralisch zum Einschreiten verpflichtet sind. Neben den Verursachern sind das die junge Generation, um deren Zukunft es geht, und die Handlungsfähigen, also diejenigen, die überhaupt in der Lage sind, etwas zu tun. Hier spielen meist finanzielle Mittel eine Rolle.“

Den Worten eine Bedeutung geben

Neben dem Ohnmachtsgefühl, dass der Einzelne sich nicht in der Lage sieht, etwas zu ändern, untersucht Lippold auch die Überforderung der Individuen: „Wenn man im Supermarkt die Gütesiegel und Labels sieht, weiß man oft trotzdem nicht, ob der Einkauf nun wirklich nachhaltig ist. Überhaupt wird der Begriff Nachhaltigkeit meiner Meinung nach oft als Worthülse verwendet. Jeder versteht ein bisschen was anderes darunter.“

Wenn wir uns als Individuen im Kollektiv einsetzen, können wir wirklich etwas bewirken.


Anna Luisa Lippold

Lippold schreibt in ihrer Doktorarbeit zwar nicht konkret über Nachhaltigkeit, möchte aber verschiedene Definitionsfragen klären und so eine sichere Diskussionsgrundlage bereitstellen. Bei all den Schwierigkeiten, den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen, hat sie aber auch eine positive Nachricht: „Wenn wir uns als Individuen im Kollektiv einsetzen, können wir wirklich etwas bewirken.“

Denn für 20 bis 40 Prozent der weltweiten Emissionen sind Einzelpersonen verantwortlich, wie Lippold beim Sichten diverser Studien herausfand. „Als Teil eines Kollektivs haben wir also durchaus unsere Zukunft zumindest anteilig selbst in der Hand“, schließt die Ethikerin.

Veröffentlicht

Freitag
27. Oktober 2017
08:33 Uhr

Von

Christian Lüttmann

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