Christoph Schmidt ist Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
© RWI, Sven Lorenz

Interview „Forschungsergebnisse sollten kein Dienstgeheimnis bleiben“

Christoph Schmidt über die Verantwortung von Ökonomen für die Gesellschaft und die Grenzen der Politikberatung.

Herr Professor Schmidt, denken Sie, dass Wissenschaftler, speziell Ökonomen, eine Verantwortung haben, sich am Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Gesellschaft zu beteiligen?
Aus Kompetenzen erwächst natürlich Verantwortung. Ökonomen steht ein ausgereiftes Handwerkszeug zur Verfügung, um für alle Menschen relevante Sachverhalte zu erfassen und ihre Ursachen und Konsequenzen zu analysieren. Es versteht sich in unserer freiheitlichen Gesellschaft von selbst, dass die Ergebnisse dieser Forschung kein Dienstgeheimnis bleiben, sondern der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.

Einen Rollenkonflikt sehe ich nicht.

Als Politikberater sind Sie gleichzeitig Wissenschaftler, ein von der Politik beauftragter Experte und eine Privatperson mit einer politischen Meinung. Kann man verhindern, dass diese Rollen verschwimmen?
Kein Wissenschaftler wird sich ganz von seinen persönlichen Eindrücken und Erfahrungen befreien können. Doch bei meinen öffentlichen Stellungnahmen fühle ich mich nie als Privatperson, sondern immer als wirtschaftspolitischer Berater gefragt. Ich vertrete keine Unternehmens-, Verbands- oder Parteiinteressen und stütze meine Positionen nach bestem Wissen und Gewissen durch empirische Resultate und stichhaltige Argumente ab. Dabei hilft mir häufig die Expertise des Sachverständigenrates und des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung RWI. Einen Rollenkonflikt sehe ich nicht, denn ich vertrete in meiner Rolle als Wissenschaftler und Mitglied des Sachverständigenrates inhaltlich die gleiche Position.

Zur Person

Prof. Dr. Christoph M. Schmidt hat an der Ruhr-Universität Bochum den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und angewandte Ökonometrie inne und ist Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Seit 2009 ist er Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, seit 2013 dessen Vorsitzender.

Lässt sich das komplexe Sozial- und Wirtschaftsgefüge ausreichend theoretisch analysieren, um der Politik verlässliche Empfehlungen an die Hand zu geben?
Die moderne Welt ist in der Tat höchst komplex. Weder die Wissenschaft noch andere Akteure können der Politik daher eindeutige Handlungsanweisungen an die Hand geben, deren Befolgung sicher zu den erwünschten Ergebnissen führt. Die Wissenschaft kann aber in akribischer Detailarbeit viele Bausteine zusammentragen, die der Politik Hinweise auf Maßnahmen geben, die mehr Erfolg versprechen als andere.

Wenn Sie zu einer wirtschaftspolitischen Frage Stellung nehmen, haben Sie diese dann zunächst aufwendig wissenschaftlich analysiert? Sollten Politikberater auch Antworten auf Fragen liefern, die nicht den Kern des eigenen Forschungsschwerpunktes treffen?
Wirtschaftspolitische Fragen betreffen häufig Sachverhalte, bei denen man nicht auf die eigene Forschung zurückgreifen kann. Das gilt vor allem für völlig neue Sachverhalte. Doch eine fundierte Einschätzung ist möglich, wenn man eine hinreichend starke Analogie zu solchen Sachverhalten begründen kann, welche vorher in der einschlägigen Fachliteratur oder gar in eigener Forschung analysiert wurden.

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Veröffentlicht

Dienstag
27. Februar 2018
09:59 Uhr

Von

Julia Weiler

Dieser Artikel ist am 27. April 2018 in Rubin 1/2018 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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