Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass das Unterdrücken von unerwünschten Erinnerungen nicht leichtfertig als therapeutische Strategie empfohlen werden sollte. © RUB, Marquard

Neurowissenschaft Unterdrückte Erinnerungen bei traumatisierten Geflüchteten

Krieg, Folter, Naturkatastrophen – emotionale Extremerfahrungen können zu posttraumatischer Belastungsstörung führen. Aber nicht alle Menschen sind gleich empfänglich für die Krankheit.

Was im Gehirn passiert, wenn Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) versuchen, Erinnerungen willentlich zu unterdrücken, hat ein internationales Forscherteam analysiert. Bei einem Gedächtnistest zeichneten sie mittels Magnetenzephalografie, kurz MEG, die Hirnaktivität von schwer traumatisierten Geflüchteten auf und verglichen die Ergebnisse bei Teilnehmern mit und ohne PTBS. Die Daten geben Hinweise auf die neuronalen Grundlagen von wiederkehrenden traumatischen Erinnerungen und für die Therapie. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Scientific Reports vom 3. September 2018 veröffentlicht.

Gedächtnisspuren blieben erhalten

An dem Versuch nahmen 24 geflüchtete Männer und Frauen teil. Elf von ihnen hatten infolge ihrer traumatischen Erlebnisse eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, das heißt, sie erleben die auslösende emotionale Situation gedanklich immer wieder. Die übrigen Probanden hatten zwar vergleichbar viele schwerwiegende traumatische Ereignisse erlebt, aber keine PTBS entwickelt.

Probanden ohne PTBS konnten Assoziationen erfolgreich unterdrücken. Außerdem waren die mit MEG gemessenen sensorischen Gedächtnisspuren bei ihnen für die vergessenen Assoziationen geringer ausgeprägt als für erinnerte Assoziationen. Anders sah es bei Probanden mit PTBS aus. Je ausgeprägter die Krankheitssymptome waren, desto schwieriger war es für die Teilnehmer, Assoziationen zu unterdrücken. Hinzu kam, dass die sensorischen Gedächtnisspuren von unterdrückten Erinnerungen bei ihnen erhalten blieben und tendenziell sogar verstärkt wurden.

Hinweise für die Therapie

„Unsere Daten deuten daraufhin, dass die Fähigkeit zum willentlichen Unterdrücken von Erinnerungen möglicherweise vor einer PTBS schützt – oder aber dass eine PTBS zu einer schlechteren Gedächtniskontrolle führt“, sagt Dr. Gerd Waldhauser aus der Bochumer Abteilung für Neuropsychologie. „Gleichzeitig sollte das Unterdrücken von unerwünschten Erinnerungen nicht leichtfertig als therapeutische Strategie empfohlen werden, da es offenbar genau den gegenteiligen Effekt haben kann: Die Erinnerung verstärkt sich oder bleibt zumindest erhalten.“ Diese Phänomene müssten weiter erforscht werden, um in präventiven oder therapeutischen Strategien münden zu können.

Kooperationspartner

Für die Studie kooperierten die Bochumer Forscher Dr. Gerd Waldhauser und Prof. Dr. Nikolai Axmacher mit Dr. Simon Hanslmayr von der University of Birmingham und Prof. Dr. Thomas Elbert von der Universität Konstanz sowie Kollegen des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

Veröffentlicht

Montag
03. September 2018
11:22 Uhr

Von

Julia Weiler

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