Oft geben wir uns große Mühe, uns an Dinge zu erinnern. Vergessen ist aber ebenso wichtig.
© RUB, Kramer

Neurowissenschaft So vergisst das Gehirn mit Absicht

Zwei Hirnregionen haben scheinbar eine Schlüsselrolle beim Vergessen.

Was im Gehirn passiert, wenn Menschen willentlich etwas vergessen, hat ein internationales Forscherteam untersucht. Bei Epilepsie-Patienten, denen zur Operationsplanung Elektroden in das Gehirn implantiert worden waren, identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwei Hirnbereiche, deren Aktivitätsmuster charakteristisch für den Prozess des Vergessens sind.

Die Ergebnisse beschreibt das Team der RUB und des Uniklinikums Marburg gemeinsam mit Kollegen aus Bonn, den Niederlanden und Großbritannien in der Zeitschrift Current Biology, online veröffentlicht am 6. September 2018.

Vergessen ist essenziell für das emotionale Wohlbefinden.


Nikolai Axmacher

„Im vergangenen Jahrhundert hat sich die Gedächtnisforschung hauptsächlich damit beschäftigt, das erfolgreiche Erinnern von Informationen zu verstehen“, sagt Nikolai Axmacher, Leiter der Bochumer Abteilung Neuropsychologie und einer der Autoren. „Vergessen ist jedoch essenziell für das emotionale Wohlbefinden und um sich auf eine Aufgabe konzentrieren zu können.“

Frequenz für das Vergessen

Bei der Analyse stellten die Wissenschaftler fest, dass sich die synchrone rhythmische Aktivität in zwei Hirnbereichen auf charakteristische Weise während des aktiven Vergessens änderte: im präfrontalen Kortex, dem vorderen Teil der Großhirnrinde, und im Hippocampus, einer tiefer im Gehirn liegenden Struktur.

„Die Daten zeigen uns, dass die Aktivität im Hippocampus, einer wichtigen Region für das Gedächtnis, durch den präfrontalen Kortex reguliert wird“, erklärt Carina Oehrn, die die Forschungsarbeiten in Bochum begann und jetzt am Uniklinikum in Marburg arbeitet. „Die Aktivität im Hippocampus wird nicht unterdrückt, sondern vielmehr auf eine andere Frequenz geschaltet, in der aktuell verarbeitete Informationen nicht mehr eingespeichert werden“, so die Neurowissenschaftlerin weiter.

Möglicher Therapieansatz

Die Forschung zum absichtlichen Vergessen sieht das Team auch als Grundlage für mögliche neue Therapien der posttraumatischen Belastungsstörung, bei der Menschen negative emotionale Erinnerungen immer wieder in Gedanken wiedererleben.

Veröffentlicht

Freitag
07. September 2018
09:58 Uhr

Von

Julia Weiler

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