Martin Horstmann (links) und Ralph Tollrian erforschen das komplexe Zusammenspiel zwischen Wasserflöhen und ihren Fressfeinden.
© RUB, Marquard

Biologie Dicker Kopf gegen Fressfeinde

Mit bizarr anmutenden Strategien verteidigen sich Wasserflöhe gegen ihre Räuber. Dieses komplexe Zusammenspiel wollen Biologen der RUB entschlüsseln.

Wasserflöhe werden maximal fünf Millimeter groß. Solchen Winzlingen traut man im ersten Moment vielleicht nicht viel zu. Doch die Tiere sind wahre Verteidigungskünstler. Um schwerer fressbar zu sein, bilden manche Wasserfloharten zum Beispiel Nackenzähne aus oder lassen sich in Anwesenheit ihrer Räuber einen besonders großen Kopf wachsen. Dieses komplexe Zusammenspiel zwischen Beute und Räuber interessiert das Team vom RUB-Lehrstuhl für Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere. Die Biologinnen und Biologen um Prof. Dr. Ralph Tollrian und Dr. Linda Weiss erforschen, wie Tiere an ihre Umwelt angepasst sind – die Wasserflöhe, auch Daphnien genannt, sind dabei ein Modellorganismus.

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Daphnien passen sich in Anwesenheit ihrer Fressfeinde aber nicht nur körperlich an, sie ändern auch ihr Verhalten – wie genau, will das Bochumer Team herausfinden.

Selbst gebautes 3D-Tracking-System

Sina Langer und Martin Horstmann haben zu diesem Zweck ein 3D-Tracking-System konzipiert und gebaut, mit dem sie die Bewegungen von bis zu fünf Daphnien parallel aufzeichnen können. Zwei Kameras filmen die Tiere in einem kleinen Wassertank; der Computer wertet die Bilder aus und rekonstruiert die dreidimensionalen Bewegungsprofile.

So fand Sina Langer im Rahmen ihrer Doktorarbeit beispielsweise heraus, dass manche Daphnien ihre Schwimmgeschwindigkeit reduzieren, wenn Fressfeinde in der Nähe sind, möglicherweise um weniger aufzufallen.

Bei Tag und bei Nacht

Mittlerweile können die Forscherinnen und Forscher Daphnien sowohl im Hellen als auch im Dunkeln tracken und somit Einblicke in das Verhalten der Tiere bei Nacht und bei Tag bekommen. Im Dunkeln braucht es dazu spezielle Infrarotsensoren, um die Wasserflöhe sichtbar zu machen. „Aber auch bei Tageslicht sind die Daphnien nicht so leicht zu sehen, weil sie transparent sind“, erklärt Martin Horstmann. Daher hat das Lehrstuhlteam verschiedene Beleuchtungen und Hintergründe um die Tracking-Anlage herum installiert, damit die Kameras die Bewegungen leichter aufzeichnen können.

Virtuelle Wasserflöhe

Die Bewegungsdaten kombinieren die Biologinnen und Biologen zusätzlich mit Computersimulationen. Basierend auf mikroskopischen Aufnahmen erstellten sie dreidimensionale Modelle von Daphnien mit und ohne Verteidigungen, zum Beispiel mit und ohne vergrößertem Kopf. Anhand der virtuellen Wasserflöhe simulieren sie nun, wie das Wasser um die Körper im verteidigten und unverteidigten Zustand strömt.

„Die körperlichen Anpassungen haben nicht unbedingt nur Vorteile“, sagt Martin Horstmann. „Daphnien, die vergrößerte Köpfe zur Verteidigung ausbilden, sind beispielsweise weniger stromlinienförmig.“ Das könnte ein Nachteil beim Schwimmen sein. „Um genauso schnell vorwärts zu kommen wie Tiere ohne Verteidigung, müssen sie mehr Energie investieren“, so Horstmann. In seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich hauptsächlich mit der Frage, was es mit der veränderten Kopfform und den anderen körperlichen Veränderungen auf sich hat.

Büschelmückenlarve frisst Wasserfloh

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Gemeinsam mit Kollegen der Universität Kiel gelang es den Bochumer Forschern um Ralph Tollrian kürzlich, erstmals mit einer Highspeed-Kamera zu filmen, wie ein Wasserfloh von einer Büschelmückenlarve gefressen wird. Der Vorgang ist hier etwa 250-fach verlangsamt gezeigt.

Künftig wird das Lehrstuhlteam weitere Bewegungsdaten aufzeichnen und Simulationen durchführen, um die Verhaltensanpassungen der Daphnien besser zu verstehen und auch nach artspezifischen Anpassungen zu suchen. So wollen die Biologinnen und Biologen das komplexe Zusammenspiel zwischen Räuber und Beute weiter entschlüsseln.

Originalveröffentlichungen

Sina M. Langer, Linda C. Weiss, Mikael T. Ekvall, Giuseppe Bianco, Lars-Anders Hansson, Ralph Tollrian: A three-dimensional perspective of Daphnia’s swimming behavior with and without predator cues, in: Limnology and Oceanography, 2019, DOI: 10.1002/lno.11132

Sebastian Kruppert, Lisa Deussen, Linda C. Weiss, Martin Horstmann, Jonas O. Wolff, Thomas Kleinteich, Stanislav N. Gorb, Ralph Tollrian: Zooplankters’ nightmare: The fast and efficient catching basket of larval phantom midges (Diptera: Chaoborus), in: Plos One, 2019, DOI: 10.1371/journal.pone.0214013

Martin Horstmann, Alexander T. Topham, Petra Stamm, Sebastian Kruppert, John K. Colbourne, Ralph Tollrian, Linda C. Weiss: Scan, extract, wrap, compute – a 3D method to analyse morphological shape differences, in: PeerJ, 2018, DOI: 10.7717/peerj.4861

Veröffentlicht

Donnerstag
23. Mai 2019
12:55 Uhr

Von

Julia Weiler

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