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„Anglizismen sind eine Bereicherung unseres Wortschatzes“
Wie so vieles hat auch die deutsche Sprache einen eigenen Feiertag. Der ist jedes Jahr am zweiten Samstag im September, 2019 ist dies der 14. September. Prof. Dr. Karin Pittner vom Germanistischen Institut der RUB verrät uns, ob die deutsche Sprache eine Zukunft hat und welche Rolle der Duden dabei spielt.
Frau Prof. Dr. Pittner, wer wissen will, wie ein Wort geschrieben wird, der schaut im Duden nach. Wenn man in ihm blättert, sieht man, dass dort eine ganze Reihe englischer Begriffe wie „Soft Skill“, „Whistle blower“ oder „Gender Mainstreaming“ aufgeführt sind. Heißt dass, das diese Wörter jetzt offiziell zur deutschen Sprache gehören?
Die Duden-Redaktion nimmt nur Wörter auf, die in einer großen Textsammlung von über vier Milliarden Wortformen – von literarischen Texten über Zeitungsartikel bis hin zu Gebrauchsanleitungen – über einen längeren Zeitraum mit einer gewissen Häufigkeit auftreten. Für viele Leute genießt der Duden eine so große Autorität, dass die Nennung eines Worts dort einer offiziellen Anerkennung als Teil des deutschen Wortschatzes gleichkommt.
Der „Tag der deutschen Sprache“ wurde 2001 durch den Verein Deutsche Sprache ausgerufen. Er will damit „ein Sprachbewusstsein schaffen und festigen, das den unkritischen Gebrauch von Fremdwörtern, insbesondere die Sucht, überflüssige englische Ausdrücke zu benutzen, den Englisch- und Denglischwahn, eindämmt oder verhindert.“
Gegner des fortschreitenden Trends, deutsche Begriffe gegen englische zu ersetzen, befürchten, dass gleichbedeutende deutsche Wörter mit der Zeit in Vergessenheit geraten und damit die deutsche Sprache und damit auch die Kultur ärmer wird. Wie sehen Sie das?
Hier halte ich es mit Goethe, der sinngemäß gesagt hat, dass die Stärke einer Sprache nicht darin bestehe, dass sie fremde Elemente abweise, sondern sie „verschlinge“. Viele Anglizismen ersetzen keine deutschen Wörter, sondern bezeichnen neue technische oder kulturelle Entwicklungen, für die es noch gar keine heimischen Wörter gibt. Diese Wörter stellen also zunächst einmal eine Bereicherung des deutschen Wortschatzes dar.
Zu allen Zeiten war es ein Bestreben der Fremdwortgegner, deutsche Entsprechungen vorzuschlagen. Dies geschah mit wechselndem Erfolg: Viele Wörter aus dem Bereich Post und Eisenbahn waren zunächst Fremdwörter, für die deutsche Entsprechungen vorgeschlagen wurden, die sich zu einem guten Teil auch durchgesetzt haben, wie zum Beispiel Umschlag für Kuvert oder Bahnsteig für Perron. Andere Eindeutschungen klingen dagegen sehr nach Behördendeutsch, wie etwa Fernsprecher für Telefon.
Für einen Teil der Anglizismen finden sich keine passenden Eindeutschungen wie für Laptop, wo die vorgeschlagene Eindeutschung „Klapprechner“ nur wenig Erfolg hat.
Verwirren die englischen Bezeichnungen nicht auch viele Menschen, vor allem ältere, die vielleicht nie Englisch gelernt haben?
Dass die Verwendung von Anglizismen nicht immer sehr geglückt ist und durchaus auch eine Verständnisbarriere bilden kann, zeigt die Sprache der Werbung und des Marketings, die teilweise über das Ziel hinausschießt.
Dass englische Slogans von vielen Deutschsprachigen nur sehr schlecht verstanden werden, zeigen mehrere Studien der Werbeagentur Endmark, die Probanden englische Slogans ins Deutsche übersetzen ließ, teilweise mit abenteuerlichen Ergebnissen.
Neulich ist mir ein besonders starkes Beispiel für einen eher unpassenden Anglizismus in einer Werbung für eine neue Buslinie aufgefallen, die auch zu Schrebergärten führt. Diese Werbung richtete sich offensichtlich an ein älteres Publikum und hatte als Schlagzeile „Fahr einfach mit der neuen Linie zum funky Blumenbeet“. So etwas wirkt eher lächerlich und ist Wasser auf die Mühlen der Anglizismengegner.
Das Interesse an der deutschen Sprache und Kultur ist in einigen Ländern überraschend stark.
Hat die deutsche Sprache eigentlich auch eine Bedeutung außerhalb Deutschlands?
Weltweit gibt es eine starke Tendenz, Englisch als die wichtigste Fremdsprache zu betrachten, weswegen es dann auch als erste Fremdsprache an Schulen gelehrt oder am häufigsten als Studienfach gewählt wird. Damit ist dann oft auch eine abnehmende Bedeutung von Deutsch als Fremdsprache verbunden. Das lässt sich zum Beispiel in ehemals kommunistischen Ländern wie Polen beobachten.
Andererseits ist das Interesse an der deutschen Sprache und Kultur in einigen Ländern überraschend stark. In China wird inzwischen an über 90 Hochschulen ein Deutsch- beziehungsweise Germanistikstudiengang angeboten. Dabei ist die Wertschätzung einer Sprache eng mit der der Kultur und der wirtschaftlichen Bedeutung eines Landes verknüpft. Deutschland genießt dort immer noch einen guten Ruf als Hightech-Land, und es gibt viele wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und China. Nicht zuletzt tragen auch die deutschen Fußballer zum Prestige des Deutschen bei. Auch Philosophen wie Kant im Original lesen zu können, ist dort ein Motiv, Deutsch zu studieren.
Eine einheitliche Antwort auf diese Frage ist also nicht möglich, sondern man muss hier zwischen verschiedenen Ländern und Regionen differenzieren. Insgesamt ist aber auf jeden Fall festzustellen, dass die Bedeutung des Deutschen als internationale Wissenschaftssprache stark abgenommen hat.
13. September 2019
09.00 Uhr