Medienwissenschaft „Das Virtuelle ist normal geworden“
Der Begriff Virtual Reality weckt viele Assoziationen zu technischen Fragen. An der RUB beschäftigen sich mit dem Thema aber längst nicht nur Ingenieurinnen und Ingenieure.
Das Thema Virtualität ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften an der RUB Gegenstand vieler Forschungsprojekte, und künftig sind Anträge für Verbundforschung dazu geplant. Warum das Virtuelle auch für nicht-technische Fachrichtungen so spannend ist, erzählt Prof. Dr. Stefan Rieger, der die Professur für Mediengeschichte und Kommunikationstheorie innehat.
Warum ist Virtualität derzeit ein großes Thema in der Medienwissenschaft?
Das Virtuelle ist normal geworden. Es ist nicht länger ein spektakulärer Ausnahmetatbestand, was es in seiner Entstehungsgeschichte durchaus war, sondern es ist angekommen im Alltag von Leuten und Lebenswelten. Es ist nicht Mittel einer Weltenflucht, die Menschen nutzen es also nicht nur, um in eine Parallelwelt einzutauchen und der realen Welt zu entkommen. Stattdessen ist das Virtuelle angetreten, genau diese Welt zu gestalten.
Welche Aspekte der Virtualität werden an der RUB untersucht?
Wir wollen wissen, wo und wie das Virtuelle in der Lebenswelt der Menschen konkrete Verwendung und Anwendung findet. Die Einsätze reichen von der schulischen und universitären Lehre bis zum Besuch virtueller Museen, Ozeanarien oder archäologischer Grabungsstätten. Sie umfassen die Interaktion mit virtueller Kunst und den Spielesektor, aber eben auch die Teilhabe am politischen Geschehen oder an sozialen Events. Betroffen von virtueller Technik sind das Gesundheitswesen, der Pflege- und Therapiebereich sowie neue Produktionsverfahren und Vertriebsformen. All diese Anwendungsbereiche beziehen wir in unsere Forschung ein.
Mit welcher Forschungsfrage beschäftigen Sie sich persönlich?
Mich selbst interessieren Aspekte, bei denen Virtualität mit Phänomenen in Berührung kommt, die man gerade nicht mit ihr in Verbindung bringt – wie Körper oder Natur. In virtuellen Realitäten werden beispielsweise Bewegungen eintrainiert, etwa nach Schlaganfällen. Und die Möglichkeit, andere Körperperspektiven einzunehmen, wird zum Beispiel genutzt, um gegen Übergewicht und Anorexie vorzugehen.
Auf den ersten Blick kontraintuitiv ist auch der Bezug zur Natur. Mittels virtueller Realitäten wird heute eine neue, eine hochgradig technisch vermittelte Naturnähe hergestellt – indem man sich in ein Tier versetzt und aus dieser Position heraus die Welt wahrnimmt. Dabei wird nicht nur gehört und gesehen, sondern gefühlt, geschmeckt und gerochen. Über diesen Zusammenhang zwischen Körper, Natur und Virtualität forsche ich aktuell.