Als Modellorganismus für die Versuche diente die Ackerschmalwand.
© RUB, Marquard

Biologie Essenziell für die Balance im pflanzlichen Stoffwechsel

Ein Enzym, dem lange niemand viel Bedeutung beigemessen hat, entpuppt sich als zentraler Regulator des pflanzlichen Metabolismus. Und nicht nur dort spielt es eine Rolle.

Mit einem bislang wenig beachteten Enzym haben sich Biologen vom RUB-Lehrstuhl für Biochemie der Pflanzen beschäftigt. Es trägt den Namen Casein Kinase 2 (CK2) und kommt in fast allen Organismen vor, egal ob Pflanze oder Tier. „Seine Aktivität gilt als nicht reguliert, somit scheint es für den Empfang und das Weiterleiten von Signalen uninteressant“, sagt Sacha Baginsky. Trotzdem entdeckten die Forscherinnen und Forscher um Dr. Anja Rödiger, Dr. Birgit Agne und Prof. Dr. Sacha Baginsky zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg einige unerwartete Funktionen des Enzyms, die sie in der Zeitschrift „The Plant Journal“ vom 3. August 2020 beschreiben.

Potenzielles Ziel für die Krebstherapie

Bei dem Enzym handelt es sich um eine sogenannte Proteinkinase: Ihr Job ist es, Phosphatgruppen an andere Proteine anzuhängen und so Einfluss auf deren Aktivität zu nehmen. „In den vergangenen Jahren hat das Interesse an diesem Enzym zugenommen, weil es im menschlichen Körper eine Rolle bei der Krebsentstehung zu spielen scheint und somit als vielversprechendes Ziel für Therapien angesehen wird“, erklärt Baginsky. Ihn und seine Kollegen interessierte jedoch vielmehr, welchen Platz das Enzym im pflanzlichen Stoffwechsel einnimmt.

Das hat uns sehr überrascht. Die Pflanze ist augenscheinlich nicht stark betroffen.


Sacha Baginsky

Das Team forschte mit der Ackerschmalwand, lateinisch Arabidopsis thaliana genannt, und verglich Wildtyp-Pflanzen mit Pflanzen, die keine CK2 in Chloroplasten bilden konnten. Dabei stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass das Enzym für die Regulation der Fotosynthese wichtig ist. „Fehlt das Enzym, verändert das den Stoffwechsel“, so Sacha Baginsky. In den genetisch veränderten Pflanzen kamen manche Aminosäuren bis zu 70-mal höher oder geringer konzentriert vor als in den unveränderten Pflanzen. Von den gravierenden Unterschieden auf molekularer Ebene blieb das Äußere der Ackerschmalwand – abgesehen von Defiziten in der Wachstumsgeschwindigkeit – jedoch nahezu unberührt. „Das hat uns sehr überrascht“, gibt der Biochemiker zu. „Die Pflanze kann bis zur Samenreife wachsen und ist augenscheinlich nicht stark betroffen.“

Dr. Anja Rödiger und Prof. Dr. Sacha Baginsky vom Lehrstuhl Biochemie der Pflanzen
© RUB, Marquard

Diese Effekte wollen die Forscher künftig genauer ergründen. Dank der aktuellen Studie wissen sie bereits, welche Proteine die Zielproteine der CK2 in Chloroplasten sind. Es braucht jedoch weitere Untersuchungen, um zu verstehen, wie genau die Gruppe von Zielproteinen den pflanzlichen Stoffwechsel reguliert. „Klar ist auf jeden Fall, dass das Enzym im Laufe der Evolution in verschiedenen Organismen sehr unterschiedliche Aufgaben übernommen hat“, resümiert Baginsky.

Originalveröffentlichung

Anja Rödiger et al.: Plastid Casein kinase 2 catalyses phosphorylation of proteins with diverse functions in light- and dark-adapted plastids, in: The Plant Journal, 2020, DOI: 10.1111/tpj.14944

Veröffentlicht

Mittwoch
05. August 2020
08:56 Uhr

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