Annette Hafner leitet den Lehrstuhl für Ressourceneffizientes Bauen an der RUB und ist Mitglied im Beirat für Waldpolitik. © Roberto Schirdewahn

Im Gespräch „Aktuell gibt es mehr als genug Holz im Wald“

Als Expertin für ressourceneffizientes Bauen setzt sich Prof. Dr. Annette Hafner dafür ein, mehr auf den Rohstoff Holz zu setzen – und hat dabei den gesamten Lebenszyklus des Materials im Blick.

Frau Professor Hafner, warum wäre Holz der bessere Baustoff?
Grundsätzlich gibt es nicht den besten Baustoff! Das geeignetste Material muss je nach Bauaufgabe gewählt werden. Aber der vermehrte Einsatz von Holz und Holzwerkstoffen kann dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen des Bausektors langfristig zu senken. Dazu gehört zunächst, CO2-Emissionen zu reduzieren und CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen. Holz hat die einzigartige Fähigkeit, beides zu können. Verbautes Holz speichert Kohlenstoff vorübergehend, er wird erst freigesetzt, wenn das entsprechende Bauteil entsorgt und verbrannt wird. Je länger Holz stofflich genutzt ist, desto länger kann es also als Speicher dienen. Außerdem wächst Holz nach und ist eine Alternative zu Materialien aus endlichen Ressourcen.

Haben wir überhaupt genug Wald, um verstärkt auf Holzbau zu setzen?
Das ist eine sehr relevante Frage, die wir in unserer Forschung mitdenken und die ich auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Beirat für Waldpolitik diskutiert habe.

Wir wissen genau, wie viel Holz man für einen bestimmten Gebäudetyp braucht, und können abschätzen, wie viele Neubauten es in den kommenden Jahren geben wird. So können wir den Holzbedarf ausrechnen, wenn man einen bestimmten Anteil dieser Neubauten aus Holz errichten würde. Das bringen wir mit Statistiken zu den Wäldern zusammen. Das Ergebnis unserer Hochrechnungen bis 2050 ist, dass es aktuell genug Holz im Wald für den Wohnungsbau gibt.

Das „H7“ in Münster ist der erste Hybrid-Holzbau in NRW gewesen. Die tragende Konstruktion besteht zum Teil aus Holz, zum Teil aus Stahl und Stahlbeton. © Roberto Schirdewahn

Welches Holz ist dafür vor allem gefragt?
Nadelholz. Gerade das ist durch die Aufforstungen in der Nachkriegszeit mehr als genug vorhanden. Durch den Borkenkäfer und den Klimawandel werden die Nadelholzwälder geschädigt. Da wäre es sinnvoll, dieses Holz für den Häuserbau zu nutzen, anstatt es später verbrennen zu müssen. Anschließend sollte man die Flächen mit einem Mischwald wieder aufforsten, der besser an das hiesige Klima angepasst wäre.

Der Holzpreis ist aktuell im Keller, sodass alle froh wären, wenn es Abnehmer geben würde. Es ist nur nicht immer leicht, Unternehmen zu finden, die Holzbauten realisieren.

Es wäre immer meine Präferenz, Häuser so lange wie möglich stehen zu lassen und zu sanieren.

Kein Haus bleibt ewig stehen. Wie stehen Holzhäuser im Vergleich zu anderen Bauweisen beim Recycling des Baumaterials da?
Zunächst einmal wäre es immer meine Präferenz, Häuser so lange wie möglich stehen zu lassen und zu sanieren. Bei jedem Hausbau sollte das Recycling aber von Beginn an mitgedacht werden. Es ist vor allem hilfreich, wenn wenig Verbundwerkstoffe verwendet werden, da sich diese leichter wiederverwerten lassen. Bei Holz sollte man auf chemischen Holzschutz verzichten, dann kann man das Material später auch noch für weitere Gebäude erneut verwenden. Ist das nicht mehr möglich, können die Holzbalken geschreddert und zu Spanplatten weiterverarbeitet werden. So ergibt sich eine gute Nutzungskaskade.

Auch wenn man konventionelle Baustoffe verwendet, ist es wichtig, schon bei der Planung die spätere Entsorgung oder Weiterverwendung zu berücksichtigen.

Das bringen Sie auch schon Ihren Studierenden bei.
Ja, die zukünftige Generation der Ingenieure sollte Rückbaukonzepte bei der Planung eines Gebäudes immer mitdenken. Eine Kreislaufwirtschaft ist extrem wichtig.

Auch wenn Holzbau eine sinnvolle Sache ist, kann er nicht alle Probleme lösen.

Sie engagieren sich auch in politischen Gremien, um die Ergebnisse Ihrer Forschung in die Praxis zu tragen. Was ist Ihre Motivation dafür?
Ich habe selbst Kinder und sehe es als meine Pflicht an, einen Beitrag zu leisten, dass auch den nachfolgenden Generationen genügend Ressourcen für ein gutes Leben zur Verfügung stehen. Politische Diskussionen zum Umweltschutz werden schnell polemisch. Da ist es die Rolle der Wissenschaft, sachlich zu bleiben und die erforderlichen Fakten bereitzustellen. Manchmal muss man auf die Bremse treten: Auch wenn Holzbau eine sinnvolle Sache ist, kann er nicht alle Probleme lösen. Man muss bei den Fakten bleiben.

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Veröffentlicht

Montag
05. Oktober 2020
09:35 Uhr

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