Thorsten Müller (links) und David Marks haben Gehirnzellen untersucht, unter anderem auch aus Organoiden.
© RUB, Marquard

Biochemie Was bei Alzheimer in den Hirnzellen passiert

Untersuchungen an Gewebe von Betroffenen und Mini-Gehirnen aus Stammzellen bringen Licht ins Dunkel.

Neben Plaques, die sich außerhalb von Nervenzellen im Gehirn sammeln, zeichnet sich die Alzheimer-Erkrankung auch durch Veränderungen innerhalb dieser Zellen aus. Was genau sich dort abspielt, haben Forschende aus der Arbeitsgruppe Cell Signalling am Lehrstuhl Molekulare Biochemie der RUB unter Leitung von Privatdozent Dr. Thorsten Müller untersucht. Sie konnten feststellen, dass sich in den Zellen verschiedene Proteine und Proteinbestandteile sammeln, die auch auf die Funktion der Zelle wirken. Außerdem stellten sie eine Korrelation zwischen dem Fortschreiten der Erkrankung und bestimmten Körperchen in den Zellkernen fest. Sie berichten in der Zeitschrift Acta Neuropathological Communications vom 13. April 2021.

Aggregate scheinen eine Funktion zu haben

Die Alzheimer-Erkrankung ist mit über 50 Millionen Betroffenen die häufigste Form der Demenz und betrifft vorwiegend Menschen über 65 Jahre. Die Pathologie der Erkrankung im Gehirn zeichnet sich vor allem durch zwei Merkmale aus: Beta-Amyloid-Plaques außerhalb der Nervenzellen und Tau-Proteine. Das Tau-Protein stabilisiert im Inneren von Zellen röhrenartige Strukturen (Mikrotubuli), welche für den Transport von Nährstoffen bei Nervenzellen wichtig sind. Beta-Amyloid ist ein im Körper vorhandenes Eiweiß, welches durch die Spaltung des Amyloiden-Vorläuferproteins (APP) entsteht.

APP ist eingebettet in die Zellmembran der Nervenzellen und ragt sowohl innen als auch außen heraus. Normalerweise wird es nahe der Mitte einmal gespalten. Der Teil innerhalb der Nervenzellen ist instabil und zerfällt. Bei Alzheimerpatienten finden zwei Spaltungen statt, sodass drei Teile entstehen. Die jetzt gefundenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass der innerhalb der Nervenzellen liegende Teil bei Alzheimerpatienten stabiler ist.  Er besteht aus nur etwa 50 Aminosäuren und kann unter bestimmten Bedingungen gemeinsam mit anderen Proteinen wie FE65 und TIP60 in den Zellkern wandern. Dieser Komplex aus Proteinen, auch als nukleäre Aggregate bezeichnet, ist in der Lage, die Genexpression der Zelle zu beeinflussen. „Das weist darauf hin, dass die Aggregate in diesem Bereich eine Funktion haben“, erläutert Erstautor David Marks von der Arbeitsgruppe Cell Signaling der RUB. Genauere Untersuchungen bestätigten diesen Hinweis, da innerhalb der nukleären Aggregate ein Protein gefunden wurde, dass an der Modifikation der DNA beteiligt ist.

Zwei weitere Proteinkandidaten in Zellen

„Um diesen Mechanismus noch besser zu verstehen, haben wir nach weiteren Proteinen gesucht, die Teil dieser Aggregate sein könnten, und haben zwei weitere Kandidaten gefunden, die an den nuklearen Aggregaten beteiligt sind, die sogenannten Tumorsuppressor-Proteine P53 und PML“, erklärt David Marks. Das Studienteam konnte in Experimenten an lebenden Zellen zeigen, dass aus den Proteinen APP-CT50, FE65, TIP60 und PML gebildete nukleare Aggregate mit der Zeit miteinander fusionieren und noch größere nukleare Aggregate bilden.

Zudem untersuchten sie zum einen Gehirnproben älterer verstorbener Personen als auch selbst generiertes neuronales Gewebe aus induzierten pluripotenten Stammzellen. „Diese Mini-Gehirne, sogenannte Zerebrale Organoide, spiegeln die Embryonal- und Entwicklungsphase eines Gehirns relativ akkurat wider“, erklärt Thorsten Müller. Das Forschungsteam konnte keine nukleären Aggregate in den vergleichsweisen jungen Zerebralen Organoiden finden, wohingegen diese jedoch in den Gehirnproben von älteren Patienten vorhanden waren. „Daraus schließen wir, dass der Prozess abhängig vom Alter ist“, so Müller.

Veröffentlicht

Freitag
11. Juni 2021
09:14 Uhr

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