Chemie Unerwartete Energiespeicherfähigkeit, wo Wasser auf Metall trifft
Mit einer neuen Methode kann die elektrische Umladung von Grenzschichten zwischen sehr kleinen, metallischen Partikeln und wässrigen Lösungen gemessen und auf molekularer Ebene verstanden werden.
Forschende des Exzellenzclusters RESOLV haben mit Strom- und Spannungsmessungen an einzelnen Nanopartikeln ermittelt, dass die kapazitiv gespeicherte Ladung an Platingrenzflächen deutlich höher sein kann als bisher angenommen. Dies führen sie auf eine spezielle Anordnung und Bindung von Wassermolekülen zurück. Dazu kooperierte das internationale Team um Prof. Dr. Kristina Tschulik, deren Ideen 2020 mit einer ERC-Starting-Grant-Förderung des Europäischen Forschungsrates ausgezeichnet wurden, mit Partnern aus Frankreich und Israel. Die Ergebnisse beschreiben die Autoren in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ – online, veröffentlicht am 19. Dezember 2021.
Obwohl Grenzflächen zwischen Metallen und Wasser die lokalen Bereiche sind, wo entscheidende Vorgänge von Energietechnologien wie Wasserspaltung ablaufen, ist bisher nur wenig über ihren Aufbau und Veränderungen während solcher Prozesse bekannt. Die wissenschaftliche Beschreibung solcher Grenzflächen wird seit über 100 Jahren vom Modell der sogenannten elektrochemischen Doppelschicht geprägt. Es besagt, dass sich Ladungsträger einer wässrigen Lösung vermehrt im Grenzbereich zum Metall anordnen, um überschüssige elektrische Ladungen auf der Metallseite auszugleichen. Dabei werden die entgegengesetzten Ladungen durch Wassermoleküle getrennt. Ähnlich zu einem technischen Plattenkondensator kann durch diese nanoskopische Ladungstrennung in der Grenzfläche Energie gespeichert und später wieder abgerufen werden. Vorgänge, bei denen sich der molekulare Aufbau der elektrochemischen Doppelschicht verändert, sind für viele grüne Technologien, wie zum Beispiel Superkondensatoren und Brennstoffzellen, relevant.
Für solche technischen Anwendungen werden verstärkt Nanopartikel untersucht, welche tausendmal kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Wegen ihres vorteilhaften Verhältnisses von prozessrelevanter Oberfläche zu Volumen bieten sie hierfür besonders gute Voraussetzungen. Die vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst geförderte iranische Wissenschaftlerin Dr. Mahnaz Azimzadeh Sani verwendete sogenannte kolloidale Nanopartikeldispersionen. Dort liegen Nanopartikel voneinander getrennt und fein verteilt in wässriger Lösung vor und schlagen zufällig hin und wieder auf einer unter Spannung stehenden Mikroelektrode ein. Mithilfe von computergestützten Molekulardynamiksimulationen konnten Gemeinsamkeiten und Unterschiede spannungsabhängig gemessener kapazitiver Ströme verschiedener Arten von Nanopartikeldispersionen interpretiert werden. Die unerwartet hohen Kapazitäten werden auf gelöste geladene Teilchen zurückgeführt, die sich vermehrt in Zwischenräumen von einer kompakten an Platin (und schwächer an Gold) gebundenen Wasserschicht und einer angrenzenden Wasserschicht anderer Anordnung ansammeln.