Serie Die größten Verbrechen
Dr. Edith Nettmann ist Mikrobiologin am Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft und Umwelttechnik. © Damian Gorczany

Mikrobiologie (K)Ein Recht auf sauberes Trinkwasser?

Die Geschichte ist voll von beispiellosen Verbrechen. Viele Todesopfer fordert aber auch das Wasser – dreckiges Wasser. Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, meint Edith Nettmann.

Wasser ist das Lebenselixier unseres Planeten. Die freie Verfügbarkeit von sauberem Wasser darf kein Privileg sein. Daher beschlossen die Vereinten Nationen 2010, dass jeder Mensch ein Recht auf sauberes Wasser und sanitäre Anlagen hat. Jedoch ist dieses Menschenrecht bisher nicht global umgesetzt. Gegenwärtig haben immer noch rund 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser und etwa 4,4 Milliarden stehen keine sanitären Anlagen zur Verfügung. Angesichts dieser Zahlen ist es schwer, nicht von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sprechen.

Betroffen sind vor allem die Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern und/oder in ländlichen Regionen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: unter anderem mangelnde/fehlende Abwasserreinigung und entsprechende Infrastrukturen, Umweltverschmutzungen, immer noch mangelnde Aufklärung zur Hygiene, kriegerische Auseinandersetzungen und der Klimawandel.

Viele Todesopfer

Weltweit werden noch heute über 80 Prozent aller Abwässer unbehandelt dem Wasserkreislauf zugeführt. Sie belasten nicht nur die Umwelt und Trinkwasserressourcen, sondern tragen neben einer mangelnden Hygiene auch zur Verbreitung von Krankheiten bei. Hierzu zählen Cholera, Typhus, Ruhr und Hepatitis A. Gerade die Kinder trifft es am schlimmsten: In den vergangenen zehn Jahren starben mehr Kinder weltweit an wasserbedingten Durchfallerkrankungen als Menschen in allen bewaffneten Auseinandersetzungen seit dem zweiten Weltkrieg. Heute leben bereits 450 Millionen Kinder in Gebieten mit hoher oder extrem hoher Wasserunsicherheit. Und der Klimawandel verschärft diese prekäre Situation immens. Die durch die Erderwärmung verursachten zunehmenden Extremwetterlagen, wie Dürren, Überschwemmungen und Starkregenereignisse, beeinflussen sehr stark die Menge und Qualität unseres Trinkwassers.

Abwasserbehandlung ausbauen

Ein weltweiter Ausbau der Abwasserbehandlung, zum Beispiel durch dezentrale Abwasserreinigungsanlagen, verbessert nicht nur die Gesundheit der Weltbevölkerung wesentlich, sondern könnte auch die negativen Folgen des Klimawandels auf die Trinkwassersituation teilweise kompensieren. Darüber hinaus kann die Abwasserbehandlung zur Reduzierung von Treibhausgasen und somit zur Verringerung der Ursachen des Klimawandels beitragen, etwa durch die Nutzung des Abwassers zur Produktion von Biogas.

In den meisten betroffenen Ländern fehlt es jedoch immer noch an Geld, technischem Wissen, oder leider auch am politischen Willen, entsprechende Wasser- und Abwasserinfrastrukturen zu schaffen. Daher ist es wichtig, dass die Industrienationen diese Länder bei dem Ausbau entsprechender Infrastrukturen mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung in diesem Bereich sowie finanziell unterstützen. Langfristiges Ziel soll sein, dass weltweit jedes Kind Zugang zu einer nachhaltigen und klimaresistenten Wasserversorgung hat, so wie es Unicef und verschiedene Nichtregierungsorganisationen bereits seit Jahren anstreben.

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Veröffentlicht

Dienstag
12. April 2022
09:03 Uhr

Von

Edith Nettmann

Dieser Artikel ist am 2. Mai 2022 in Rubin 1/2022 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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