Geografie Die Menschen können immer weniger Sterne sehen

Das zeigt eine Science-Studie anhand eines weltweiten Citizen Science Projekts zur Lichtverschmutzung, das in den vergangenen elf Jahren Daten erhoben hat.

Menschen sehen weltweit immer weniger Sterne am Nachthimmel. Ursache ist vermutlich die Lichtverschmutzung in den Abend- und Nachtstunden, die pro Jahr um sieben bis zehn Prozent zunimmt. Diese Änderungsrate ist größer, als es Satellitenmessungen der künstlichen Lichtemissionen auf der Erde vermuten ließen. Zu diesem Befund kommt eine Studie von einer Forschungsgruppe um Dr. Christopher Kyba von der Ruhr-Universität Bochum mit Forschenden vom Geoinformationszentrum und vom NOIRLab der US National Science Foundation. Im Rahmen des Citizen Science Projekts „Globe at Night“ haben sie hierfür aus dem Zeitraum 2011 bis 2022 mehr als 50.000 Beobachtungen mit bloßem Auge von Bürgerwissenschaftler*innen auf der ganzen Welt ausgewertet. Die Studie zeigt auch, dass die Citizen-Science-Daten eine wichtige Ergänzung zu bisherigen Messverfahren sind. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Science vom 19. Januar 2023.

Bedarf an geeigneten Messverfahren

Über die Veränderung der Lichtverschmutzung weiß man global gesehen und im Laufe der Zeit bislang wenig. Zwar kann das künstliche Himmelsleuchten im Prinzip von Satelliten gemessen werden. Doch die einzigen Instrumente im All, die die gesamte Erde überwachen können, sind nicht ausreichend empfindlich.

Ein vielversprechender Ansatz ist es daher, die Beobachtungskraft der Menschen und damit das menschliche Auge als Sensor zu nutzen, und dabei – im Rahmen von Citizen Science Experimenten – auf die Macht der Vielen zu setzen. Bereits seit 2006 läuft das Projekt „Globe at Night“, initiiert vom NOIRLab der US-amerikanischen National Science Foundation. Menschen auf der ganzen Welt können sich beteiligen. Sie betrachten ihren Nachthimmel und geben dann in einem Online-Formular an, welche von acht Sternkarten am besten zu dem passt, was sie sehen. Jede Karte zeigt den Himmel unter verschiedenen Graden an Lichtverschmutzung.

Hintergrund Lichtverschmutzung

Über einem Großteil der Landoberfläche der Erde erstrahlt der Himmel auch lange nach Sonnenuntergang noch in einer – künstlichen – Dämmerung. Dieses künstliche Leuchten des Nachthimmels ist eine Form der Lichtverschmutzung, die gravierende Auswirkungen auf die Umwelt hat und daher im Blick der Forschung stehen sollte, wie Constance Walker, Mitautorin der Studie und seit dessen Gründung Leiterin des Projekts Globe at Night des NOIRLab der NSF betont. Denn viele Verhaltensweisen und physiologische Prozesse von Lebewesen sind von tageszeitlichen und saisonalen Rhythmen bestimmt – und damit vom Licht beeinflusst. „Das Himmelsleuchten beeinträchtigt sowohl tag- als auch nachtaktive Tiere und zerstört außerdem einen wichtigen Teil unseres kulturellen Erbes“, sagt Walker. Die Erscheinung des Nachthimmels verändert sich, mit negativen Auswirkungen auf Sternenbeobachtung und Astronomie.

„Die Beiträge der einzelnen Menschen wirken zusammen wie ein globales Sensornetz, das uns einen ganz neuen Forschungsansatz ermöglicht“, sagt Christopher Kyba. Gemeinsam mit Yigit Öner Altıntas sowie Constance E. Walker und Mark Newhouse hat er Daten von 51.351 Beobachtungen auf der ganzen Welt ausgewertet, die zwischen 2011 und 2022 in wolken- und mondfreien Nächten gemacht wurden. Sie repräsentieren 19.262 Standorte weltweit, davon 3.699 Orte in Europa und 9.488 Orte in Nordamerika.

Je heller die Beleuchtung am Boden ist, desto weniger kann man vom Himmel sehen. Auf dem Land sieht man daher wesentlich mehr Sterne als in der Innenstadt.
© NOIRlab Marenfeld

Um aus diesen Daten eine Veränderungsrate der Himmelshelligkeit zu errechnen und dabei zu berücksichtigen, dass sich die Beobachtenden auch über die Jahre jeweils an anderen Standorten befanden, haben sie zusätzlich ein globales Modell für die Himmelshelligkeit benutzt, das auf Satellitendaten des Jahres 2014 basiert.

Überraschende Erkenntnisse

„Die Geschwindigkeit, mit der Sterne für Menschen in städtischen Umgebungen unsichtbar werden, ist dramatisch“, resümiert Christopher Kyba, Erstautor der Studie. Die Forschenden schätzten die Änderungen der Himmelshelligkeit anhand der Anzahl der sichtbaren Sterne ab. So ergaben sich für Europa 6,5 Prozent mehr Helligkeit pro Jahr, für Nordamerika ein Plus von 10,4 Prozent. Um diese Zahlen zu veranschaulichen, erläutert Kyba die Konsequenzen, die sich für die Beobachtbarkeit von Sternen an einem Ort mit einer Helligkeitszunahme von 9,6 Prozent pro Jahr ergeben würden. Das entspricht dem aktuell ermittelten weltweiten Durchschnitt. „Wenn die Entwicklung so fortschreitet, wird ein Kind, das an einem Ort geboren wird, an dem 250 Sterne sichtbar sind, dort an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 Sterne sehen können.“

Veröffentlicht

Freitag
20. Januar 2023
09:13 Uhr

Von

Uta Deffke
GFZ

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