Mehmed Numanović möchte mit seiner Arbeit dazu beitragen, eine Norm für den Brandschutz von Bauwerken zu optimieren. © Roberto Schirdewahn

Verbundbau Brückenträger im Ofen

Wenn Beton und Stahl zusammenhalten, ertragen sie vielleicht länger große Hitze als für sich allein. Das ist wichtig für die Auslegung von Bauwerken im Brandfall.

Brennt es unter einer Brücke, so wie im September 2020 auf der A40 in Mülheim, besteht für das Bauwerk große Gefahr: Die Hitze kann schnell mehrere Hundert Grad Celsius betragen. Stahlträger halten das nicht lange aus; die Bauteile versagen: Nach dem Brand des mit Treibstoff beladenen Lkws in Mülheim mussten drei Eisenbahnbrücken abgerissen werden.

„Die Hauptsache ist natürlich, dass bei solchen Ereignissen kein Mensch zu Schaden kommt“, erklärt Mehmed Numanović. „Deswegen gibt es Normen für den Bau von Brücken, aber auch Hochhäusern und anderen Bauwerken, in denen festgelegt ist, wie lange ein Bauwerk solcher Hitze im Brandfall standhalten muss, damit alle Menschen sich in Sicherheit bringen können.“ In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt untersucht der Doktorand am Lehrstuhl für Stahl-, Leicht- und Verbundbau die Grundlagen der Tragfähigkeit von Stahl-Beton-Bauwerken. Auf der Grundlage solcher Ergbebnisse kann die Norm weiterentwickelt werden.

Beton trägt mit

Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welchen Einfluss der Beton auf die Hitzebeständigkeit des Baus eigentlich hat. „Bisher wurden im Wesentlichen nur die Stahlträger untersucht“, erklärt Mehmed Numanović. Sie bestehen aus unterschiedlich dicken Blechen, die in bestimmten Abständen Versteifungen aufweisen, welche sie stabilisieren und in einzelne Felder einteilen. Die Träger verlaufen längs und/oder quer unterhalb der Brücke und sind auf die tragendenden Pfeiler montiert. Auf dem Träger liegt die Betondecke der Brücke. Sie ist mittels Kopfbolzen in kurzen Abständen mit dem Stahlträger verbunden.

An dieser Brücke in Venlo lässt sich der Verbundträger mit den regelmäßigen Versteifungen gut erkennen. © Mehmed Numanović

„Diese feste Verbindung sorgt dafür, dass die Betonplatte nicht nur mit ihrem Gewicht von den Stahlträgern getragen werden muss, sondern selbst mitträgt“, erklärt Mehmend Numanović. „Man kann sich das so vorstellen wie einen Stoß Papier: Wenn man die einzelnen Blätter miteinander verklebt, tragen sie als gesamtes Paket und nicht als einzelne Blätter.“

Um herauszufinden, wie groß der Einfluss der Betonplatte ist, hat das Projektteam in einer Werkhalle einen riesigen Versuchsstand eingerichtet. In seinem Zentrum steht ein elektrischer Modulofen, der flexibel angepasst werden kann und bis zu 1.200 Grad Celsius Hitze erzeugt. Durch ihn hindurch werden die Versuchsobjekte gelegt: Verschieden beschaffene Stahl-Beton-Trägerkonstruktionen von 7,2 Metern Länge und einem Meter Höhe. „Sie entsprechen den Trägern, die auch in Wirklichkeit bei Brücken und Hochhäusern verbaut werden“, sagt Mehmed Numanović.

Versuchsträger werden eingeklemmt

Die Träger werden von oben und unten in den Versuchsstand eingeklemmt: Auf der einen Seite liegen sie auf einer Trägerkonstruktion auf und werden durch einen Stempel von oben belastet. Auf der anderen Seite liegen sie unter einer Trägerkonstruktion und werden von unten hochgedrückt. „Das machen wir so, damit wir nur die Kräfte isoliert betrachten können, die uns interessieren“, erklärt Mehmed Numanović. In der Mitte befindet sich der Ofen. Er heizt von beiden Seiten und von unten. Für das Versagen eines solchen Trägers ist vor allem interessant, wann sich im Träger markante Verschiebungen einstellen. Das geschieht innerhalb der durch Quersteifen versteiften Felder, der sogenannten Schubfelder. Die charakteristische Verformung, die zum Versagen führt, heißt daher Schubbeulen. „Würden wir den Träger nur von oben belasten, kämen zwangsläufig auch Biegekräfte mit ins Spiel, die wir nur erschwert herausrechnen können, und die die Interpretation unserer Ergebnisse erschweren würden“, erklärt Mehmed Numanović.

Die Frage, der die Forschenden mit ihren Experimenten nachgehen, lautet: Welche Last trägt der Verbund aus Stahl und Beton bei welcher Temperatur, bevor er versagt? „Für Stahl alleine weiß man das“, sagt Mehmed Numanović. „So ab 400 Grad sinken seine Steifigkeit und Festigkeit.“ Beton wirkt isolierender als Stahl, dehnt sich auch aus, aber wie er im Brandfall mit dem Stahl zusammenwirkt, ist offen. Um die Frage zu beantworten, wird das Team zwölf verschiedene Versuchsträger bei unterschiedlichen Temperaturen belasten und bis zum Versagen erhitzen. Die Träger unterscheiden sich zum Beispiel in der Dicke der Stahlbleche, aber auch in der Anzahl und im Abstand der Quersteifen und Kopfbolzen mit der Betonplatte.

Die Ergebnisse sollen in ein numerisches Modell einfließen, mit dem sich die Tragfähigkeit solcher Trägerkonstruktionen berechnen lässt. Mit einem darauf basierenden Tool sollen Ingenieurinnen und Ingenieure dann ihr Bauwerk normkonform konfigurieren können. Für verschiedene Arten von Bauwerken gelten dabei unterschiedliche Zielwerte, die sich in der Zeit ausdrücken, die das Bauwerk bei einem Normbrand standhalten muss. Um diese Ziele einzuhalten, kann man an verschiedenen Stellschrauben drehen. Schließlich geht es auch immer darum, kostengünstig und materialsparend zu bauen.

„Es ist denkbar, dass die bisher eingesetzten Stahlträger eigentlich überdimensioniert sind, weil man sie immer ohne den Einfluss der Betonplatte betrachtet hat“, so Mehmed Numanović. Ob das stimmt und man die Stahlkonstruktionen von Brücken und Hochhäusern schlanker planen kann, ohne Sicherheitsrisiken einzugehen, werden die Versuche zeigen.

Das Projekt

Das Projekt „Schubbeulen von Stahl-Beton-Verbundblechträgern unter Brandbeanspruchung“ wird seit Februar 2022 bis Januar 2025 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

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Veröffentlicht

Donnerstag
11. Mai 2023
09:33 Uhr

Dieser Artikel ist am 1. Juni 2023 in Rubin 1/2023 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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