Interview Die Trümpfe der kurzen Wellenlänge

Die neuesten Entwicklungen der Halbleitertechnologie erlauben die praktische Nutzung von Terahertzwellen. Ein großes Netzwerk geht den Wellenlängenbereich von allen Seiten an.

Zwischen dem Infrarot- und dem Mikrowellenbereich liegen die Terahertzwellen. Sie dringen in Materialien kaum ein – bleiben also an der Oberfläche und können sie sehr genau abbilden. Das ist bei weitem nicht ihr einziger Vorteil für vielfältige Anwendungen, doch waren die interessanten Wellenlängen, die kleiner als einen Millimeter sind, nur durch aufwändige Laboraufbauten nutzbar. Das ändert sich dank der modernen Halbleitertechnik. terahertz.NRW, ein großes Netzwerk aus über 40 Forschenden aus Nordrhein-Westfalen, hat sich auf den Weg gemacht, die Terahertz-Lücke zu schließen. Prof. Dr. Ilona Rolfes und Prof. Dr. Nils Pohl aus der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik koordinieren die Arbeiten des Netzwerks an der Ruhr-Universität Bochum.

Frau Prof. Rolfes, Herr Prof. Pohl: Warum sind Sie so fest entschlossen, Terahertzstrahlung nutzbar zu machen?
Ilona Rolfes: Terahertzwellen mit ihrer sehr kleinen Wellenlänge erlauben die Charakterisierung sehr feiner Strukturen, wie zum Beispiel von Materialeigenschaften. Diese Möglichkeit macht die Wellen auch für medizinische Anwendungen interessant: So könnten zum Beispiel Erkrankungen wie Hautkrebs damit untersucht werden.
Dabei käme ein weiterer Vorteil von Terahertzwellen zum Tragen, nämlich, dass sie nicht ionisierend und daher medizinisch unbedenklich sind, anders als zum Beispiel Röntgenstrahlung.

Anders als andere Wellenlängen werden Terahertzwellen kaum durch Nebel oder Niederschlag beeinträchtigt.

— Ilona Rolfes

Nils Pohl: Die kleinen Wellenlängen bedeuten auch, dass wir sehr kompakte Antennen bauen können, was ideal für mobile Anwendungen ist. Zudem verfügen wir im Terahertzbereich über eine große Frequenz-Bandbreite. Diese ermöglicht zum Beispiel sehr hohe Datenraten in der Kommunikationstechnik und sehr hochauflösende Sensorik. Das macht die Technologie so attraktiv für die Autoindustrie, zum Beispiel für die Umfelderfassung bei autonom fahrenden Fahrzeugen. Die Möglichkeit, Abstände mikrometergenau zu messen, macht die Terahertzwellen außerdem für industrielle Anwendungen sehr attraktiv.

Rolfes: Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Umfelderfassung in der Robotik oder die Erkundung von Katastrophengebieten aus der Luft. Dabei geht es darum, dass Roboter nicht mit Dingen oder Personen in ihrer Umgebung kollidieren, oder darum, nach einem Erdbeben aus der Luft mit Drohnen nach Verschütteten zu suchen. Anders als andere Wellenlängen werden Terahertzwellen kaum durch Nebel oder Niederschlag beeinträchtigt.

Was sind die größten Herausforderungen in der Nutzung des Terahertzspektrums?
Rolfes: Wir betreten mit dem Terahertzbereich technologisches Neuland. Die Erschließung dieses Frequenzbereichs bedeutet den nächsten Schritt in der Nutzung des elektromagnetischen Spektrums. Die aktuelle Mobilfunktechnologie nutzt den Gigahertzbereich – wir gehen jetzt weiter.

Pohl: Zunächst einmal müssen wir die Technik entwickeln, um die Wellen zu erzeugen, zu empfangen und zu interpretieren. Dafür brauchen wir hochintegrierte Schaltungen, die sehr schnelle Schaltvorgänge ermöglichen. Wir betreiben Grundlagenforschung und ermitteln erst einmal: Was geht überhaupt?

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Wir nähern uns dem Tehahertzbereich von der längeren Wellenlänge her an. Einiges ist schon möglich, hat bisher aber große Laboraufbauten notwendig gemacht, die für die praktische Anwendung nicht infrage kämen. Neuste Fortschritte in der Halbleitertechnik führen jetzt zu immer kleineren und damit schnelleren Transistoren. Neue Ansätze in der Mikrosystemtechnik erlauben eine höhere Integration, sodass selbst für hochkomplexe Systeme kompakte Lösungen gefunden werden können.

Rolfes: Die Miniaturisierung ist der Schlüssel zur Anwendung und irgendwann für den Massenmarkt. Wir arbeiten da sehr eng mit der Halbleiterindustrie zusammen.

Es wurden bereits mehrere Spin-offs aus dem Netzwerk gegründet.

— Nils Pohl

Was macht das terahertz.NRW-Netzwerk so besonders?
Rolfes: In unserem Netzwerk arbeiten außergewöhnlich viele Disziplinen im Team zusammen, im Kern aus der Elektrotechnik und Informationstechnik, ergänzt um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Biologie, Chemie und Medizin. So haben wir beispielsweise das Umweltmonitoring mit Terahertztechnologie ins Auge gefasst. Und wir möchten die Technik etwa zur Beobachtung des Pflanzenwachstums im Kontext kontaminierter Böden einsetzen. Das Netzwerk terahertz.NRW vereint Grundlagenforschende mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich um die Anwendung kümmern.

Pohl: Es wurden bereits mehrere Spin-off aus dem Netzwerk gegründet: Beispielsweise eine Firma, die die Kunststoffdicke von Rohren mit Terahertzwellen während der Herstellung messen kann. Das war bis dahin so nicht möglich.

Netzwerk terahertz.NRW

Das Netzwerk terahertz.NRW unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik in Wachtberg wird seit 2022 gefördert. Neben der Ruhr-Universität Bochum sind das Fraunhofer Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme sowie die Universitäten Duisburg-Essen und Wuppertal beteiligt und werden mit 18 Millionen Euro vom Land unterstützt. Der Kristallisationspunkt des Netzwerkes bildet der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Sonderforschungsbereich MARIE sowie die bisherige Zusammenarbeit in einem der vier 6G-Forschungs-Hubs, mit denen die Bundesregierung anwendungsnahe Forschung im Bereich der 6G-Technologie fördert.

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Veröffentlicht

Mittwoch
13. November 2024
09:29 Uhr

Dieser Artikel ist am 2. Dezember 2024 in Rubin 2/2024 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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