Mission Statement: Sustainable RUB 2030 Wie die Ruhr-Universität Bochum nachhaltiger werden will
Sie hat sich zum Ziel gesetzt, ab 2030 als nachhaltige Universität einen entscheidenden Beitrag zu den aktuellen globalen Herausforderungen zu leisten. Dafür wurde nun ein Mission Statement verabschiedet.
Nachhaltigkeit ist ein komplexes, allerdings kein einfaches Unterfangen für eine Universität, die beispielsweise den Energieverbrauch einer Kleinstadt hat. Rektor Prof. Dr. Martin Paul und der Nachhaltigkeitsbeauftragte, Prof. Dr. Andreas Löschel, leiten die Task Force Nachhaltigkeit der Ruhr-Universität Bochum. Im Interview mit der Studentin Mascha Buck erläutern sie, welche Veränderungen in den kommenden Jahren geplant sind.
Nach rund einem halben Jahr Vorarbeit hat die Ruhr-Universität Bochum nun ihr Mission Statement – Sustainable RUB 2030 verabschiedet. Herr Professor Paul, was bedeutet das für die Universität?
Paul: Zunächst einmal ist ein Mission Statement ein erweitertes Leitbild, eine Reflexion, warum Nachhaltigkeit für die Ruhr-Universität und die Ruhr-Universität für eine nachhaltige Entwicklung wichtig ist. Wir setzen bewusst Schwerpunkte in den Kernfragen der Zukunft. Das soll auch ein Kickoff sein und nicht nur bei dem Thema Mission Statement stehen bleiben, sondern dazu überleiten, dass wir eine Strategie und einen Implementierungsplan darauf aufbauen. Wir sind seit dem Sommersemester mit der Task Force Nachhaltigkeit aktiv, aber es gab bereits eine sehr gute Vorarbeit durch die „Denkfabrik Nachhaltigkeit“. Dass so viele Menschen sich mit in diesen Themen schon befasst haben, hat es für uns in Absprache mit allen jetzt einfacher gemacht, das Ganze konzentriert zu Papier zu bringen.
Sie haben gerade eine Strategie und einen Implementierungsplan angesprochen. In welchem Zeitraum und in welchen Gremien sollen diese denn entwickelt werden?
Paul: Den Strategieentwicklungsprozess, der maßgeblich im Rahmen der Task Force Nachhaltigkeit vorangetrieben wird, und die entsprechende Diskussion in den Gremien planen wir für das kommende Jahr ein. Solche Diskussionen sind immer mit der ganzen Universität zu führen und natürlich soll auch die Nachhaltigkeitsstrategie der RUB im Senat und im Hochschulrat beraten werden. Aber wir wollen zum Beispiel auch, dass alle, die das möchten, zu Treffen mit der „Denkfabrik Nachhaltigkeit“ kommen. Man kann als Universitätsleitung solche Dinge nicht anordnen. Das ist ein Diskussionsprozess, der sehr aktiv zu führen ist und der letztendlich in den Gremien zur Kenntnis genommen und mit Input versehen wird – damit es also nicht ein Mission Statement des Rektorats ist, sondern der Universität in all ihren Facetten.
Sie schreiben in der Einleitung des Mission Statements, dass der ganzheitliche Ansatz zur Nachhaltigkeit von der universitären Gemeinschaft getragen wird. Herr Professor Löschel, wie wollen Sie das sicherstellen?
Löschel: Wir wollen Möglichkeiten schaffen, sich einzubringen – auch für die Studierenden. Wir haben das gerade in der aktuellen Energiesparkampagne schon angestoßen. Jeder kann über ein zentrales Portal und die Mail energiesparen@rub.de seine Vorschläge schicken. Also: Ideen einbringen, wie die Ruhr-Universität nachhaltiger werden kann! Wir werden diese ernst nehmen und versuchen, möglichst viel umzusetzen – das ist ganz wichtig. Genauso ist aber auch die institutionelle Beteiligung notwendig, denn das Mission Statement soll von allen als gemeinsamer Wert getragen werden und hier auch Leitplanke und Orientierung für das tägliche Handeln aller Akteurinnen und Akteure der Ruhr-Universität sein.
Zur Person: Andreas Löschel
Über welche Plattformen genau soll das Einbringen der Ideen denn ablaufen? Beispielsweise durchs Studierendenparlament?
Löschel: Wir entwickeln das gerade. In jedem Fall soll ein zentrales Portal zum Thema Nachhaltigkeit aufgebaut werden, das die verschiedenen Aktivitäten an der Universität zusammenbringt, bündelt und den zentralen Einstieg für Fragen zur Nachhaltigkeit schafft. Da wird es dann auch die Möglichkeit geben, in Interaktion zu treten. Bisher waren Aktivitäten oft etwas versteckt und es war gar nicht klar, wie viel eigentlich an der Uni schon gemacht wird. Nachhaltigkeit soll einen neuen Stellenwert bekommen.
Wir werden zunächst fürs Verständnis der Eigeninitiative werben, und da bin ich ganz positiv gestimmt, wenn ich sehe, wie viele gute Vorschläge gemacht werden.
Martin Paul
Inwieweit ist das Mission Statement verpflichtend für die Ruhr-Universität?
Paul: Verpflichtung ist etwas, was an Universitäten besonders schlecht wirkt. Das soll über Anreizmechanismen gehen, gute Ideen sollen belohnt werden – nach meiner Erfahrung läuft es so besser. Aber wir wollen auch schauen, wie die Maßnahmen gemonitort werden. Wie effektiv sind wir?
Wir werden zunächst fürs Verständnis der Eigeninitiative werben, und da bin ich ganz positiv gestimmt, wenn ich sehe, wie viele gute Vorschläge gemacht werden. Natürlich werden wir die Effektivität der Maßnahmen evaluieren, aber wir werden die Mitarbeitenden oder Studierenden nicht kontrollieren.
Löschel: Wir wollen uns im Endeffekt ganz konkrete Ziele setzen – kurzfristiger und längerfristiger Art – und die werden wir natürlich in der Zielerreichung nachhalten.
Herr Professor Paul, Sie sagten ja gerade schon: „Gute Ideen sollen belohnt werden.“ Auch im Mission Statement steht, dass nachhaltige Gründungsprojekte sowie soziales Engagement von Studierenden in Initiativprojekten gefördert werden sollen. Welche Kriterien müssen für eine Förderung erfüllt werden?
Paul: Es muss eine kurz-, mittel- und langfristige Perspektive gegeben und ein gewisser Realitätshorizont erkennbar sein. Hier ist das Stichwort „Action-Research“, also dass man Effekte auch gleich sehen kann. Wir haben übrigens schon viele Ideen bekommen, wie das gehen kann, zum Beispiel über die Einrichtung von Crowd-Funding-Plattformen. Auf denen können unter anderem Studierende ihre Ideen posten, die vielleicht gerade durch den Review-Prozess gehen, und dafür dann Geld sammeln oder sich matchen. Wir sind gerade im Gespräch mit verschiedenen Stiftungen, die so etwas fördern wollen. Da geht es vor allem darum, ein Reservoir zu bilden, wo man für seine Ideen Unterstützung zur Realisierung bekommt.
Wir glauben, dass das den Studierenden auch jetzt schon hilft – in weiteren Studienangeboten oder auch im Beruf.
Martin Paul
Um jetzt nochmal etwas konkreter zu werden: Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit, also beispielsweise zur Reduktion des CO2-Ausstoßes, sollen denn 2023 getroffen werden?
Löschel: Zunächst wird die Thematik Energiesparen auf dem Campus ganz vorne stehen, einfach durch die momentan angespannte Lage und die hohen Energiepreise. In der aktuellen Energiekampagne sind ganz viele Bereiche schon angesprochen worden, etwa Verhaltensänderungen, die kurzfristig möglich sind. In der längeren Frist wird es auch darum gehen, wie Energieeffizienz weiter gesteigert und wie mehr erneuerbare Energien genutzt werden können. Das hilft natürlich auch dem Klimaschutz.
Oder: Was kann man kurzfristig in der Lehre zum Thema Nachhaltigkeit machen? Ein Beispiel dafür wären Micro-Credentials oder Zertifikate. Wir haben in der Uni ganz viele Veranstaltungen, die sich mit verschiedenen Aspekten von Nachhaltigkeit beschäftigen, und wir wollen jetzt schauen: Wie können wir besser dokumentieren, wenn Studierende Module belegen, die Nachhaltigkeitsthemen aufgreifen? Die Studierenden haben ein riesiges Interesse an diesen Themen. In der längeren Frist sollen neue Studiengänge entstehen, die sich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigen, beispielsweise Sustainable Engineering oder Sustainable Economics.
Paul: Studiengänge müssen natürlich akkreditiert werden. Das dauert ein paar Jahre, da sind die Studierenden von heute schon gar nicht mehr da. Micro-Credentials sind deshalb für uns an dieser Stelle so interessant: Gibt es eine Möglichkeit, dass Studierende, die sich jetzt engagieren, neben ihrem Examen ein Zertifikat bekommen, auf dem die Teilnahme an Sustainable Related Education bescheinigt wird? Wir glauben, dass das den Studierenden auch jetzt schon hilft – in weiteren Studienangeboten oder auch im Beruf.
Zur Person: Martin Paul
Im Mission Statement steht „Blended Learning und hybride Formate tragen zur Nachhaltigkeit von Studium und Lehre bei“. Wie genau ist das gemeint – inwiefern plant die Uni, in Teilen wieder auf Online-Lehre umzustellen, um Emissionen zu sparen?
Paul: Wir sind eine Präsenz-Universität, eine Campus-Universität – wir werden jetzt nicht zu einer Online-Universität werden. Aber man kann sich eben überlegen, im Bereich der Digitalisierung das Nützliche und das Positive zu verbinden. Kann man bestimmte Elemente im Studium digitalisiert umsetzen? Es gibt hier zum Beispiel Erfahrungen mit dem „Peer-Based Learning“, bei dem die Lehrenden schon im Chatroom für Studierende ansprechbar sind, bevor es eine Studienveranstaltung gibt. Das ist eher das, was wir damit meinen – und natürlich hat das dann auch einen Effekt auf den Footprint. Aber wir werden immer eine Campus-Universität bleiben, das haben wir durch Corona und die Belastung der Studierenden gelernt.
Wenn auf Präsenz gesetzt wird: Welche Maßnahmen sind dann geplant, um die Gebäude der RUB nachhaltiger zu gestalten?
Löschel: Zuerst muss man dazusagen, dass es einen institutionellen Rahmen gibt, der zu beachten ist. Die Gebäude sind Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen und gemietet. Das schränkt viele Möglichkeiten ein. Aber jetzt gilt es, Handlungsspielräume auszuleuchten. Die Potenziale sind doch bei weitem noch nicht ausgenutzt. Natürlich gibt es oft eine schwierige Ausgangssituation – das Problem sind vor allem die älteren Gebäude. Der Vorteil des Mission Statements ist, dass wir uns konsequent zur Nachhaltigkeit bekennen und dann schauen müssen: Was ist möglich?
Energetische Sanierungen können ja eigentlich nur im Sinne des Landes sein – inwiefern sind denn da auch finanzielle Förderungen des Landes Nordrhein-Westfalen möglich?
Paul: Das Land hat den Beschluss gefasst, dass auch die eigenen Gebäude energietechnisch und klimaneutral gestaltet werden müssen. Das ist schon mal positiv, weil das bedeutet, dass alle Neubauten in diese Richtung orientiert sein müssen. In einigen der neuen Forschungsbauten, die wir schon haben, gibt es zum Beispiel sehr große Rechenanlagen, die viel Wärme erzeugen – und diese Wärme wird zurück ins System geführt. Solche Sachen wollen wir weiter mit dem Land betreiben.
Im Übrigen arbeiten wir eng mit der Fraunhofer-Einrichtung für Geothermie zusammen. Wir erarbeiten, inwieweit wir die unter uns liegenden, mit Wasser gefüllten Grubenschächte nutzen können, um durch Wärmepumpen und andere innovative Technologien diese Energie zu verwenden. Bei den alten Gebäuden ist es natürlich eine Herausforderung. Es wird aber geprüft, ob wir durch Photovoltaik oder Dachbegrünung etwas tun können – und es gibt auch schon einige Projekte, wo wir das umsetzen können.
Sie berufen sich auch auf die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen und schreiben, dass Sie sich vor allem an den SDGs orientieren, in denen die RUB schon über exzellente Forschung verfügt. Welche SDGs sind dies?
Paul: Alle 17 SDGs sind natürlich relevant, aber man sollte da, wo man schon etwas in Forschung oder Lehre hat, besonders ansetzen. Wir haben schon ein Research Department „Closed Carbon Cycle Economy“, in dem interdisziplinäre Themen auf dem Weg zum geschlossenen Kohlenstoffkreislauf betrachtet werden. Oder zum Beispiel das Geothermie-Thema: Das ist zwar eine Einrichtung von Fraunhofer, aber einer der Wissenschaftlichen Leiter ist Professor der RUB. Insofern sind das Themen, in denen wir uns jetzt schon sehr engagieren, und da kann man in Zukunft überlegen, ob man noch neue, spezifische Studiengänge dranhängen kann. Wir sind eine Universität mit 21 Fakultäten, von daher ist es wichtig, dass man zunächst die Peaks raussucht, an denen wir gut ansetzen können – das beschleunigt den ganzen Vorgang.
Wir wollen umsetzen, wir wollen zeigen, dass nachhaltige Projekte gut sind – für unsere Studierenden und für unsere Universität.
Andreas Löschel
Es heißt im Mission Statement außerdem, dass Dialog und Transparenz eine elementare Rolle spielen. Wie wollen Sie diese Transparenz gewährleisten?
Löschel: Ein ganz zentraler Punkt dabei wird der Nachhaltigkeitsbericht sein. Wir haben uns vorgenommen, einen solchen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, der jährlich den Fortgang in unseren Nachhaltigkeitsanstrengungen dokumentiert, der darlegt, wie wir die Ideen aus dem Mission Statement in die Umsetzung bringen – und der dann eine regelmäßige Bestandsaufnahme liefert. Dabei wird ein ganz wichtiger Punkt das Monitoring sein. Wir werden unsere Zielsetzungen so definieren, dass wir auch darlegen können, wie wir in den verschiedenen Dingen vorankommen. Alle Beteiligten der Taskforce Nachhaltigkeit eint, dass wir ins Tun kommen wollen. Wir wollen umsetzen, wir wollen zeigen, dass nachhaltige Projekte gut sind – für unsere Studierenden und für unsere Universität.
Welche Mechanismen des Monitorings für den Nachhaltigkeitsbericht gibt es?
Paul: Ein Mission Statement hat immer etwas „Wolkiges“, weil man das big picture beschreibt. Aber wenn man einen Nachhaltigkeitsbericht hat, basierend auf einer Strategie und einem Implementierungsplan wird die Erreichung festgelegter Meilensteine anhand geeigneter Kriterien offengelegt. Bislang veröffentlichen nur fünf Prozent aller deutschen Universitäten einen solchen Nachhaltigkeitsbericht. Wir wollen mit unserer Berichterstattung auch unseren eigenen Erfolg messen.
Löschel: Wir wollen damit auch Verantwortlichkeit schaffen und mit konkreten Zahlen arbeiten. Übrigens wollen wir hier auch die gesamte Universität einbinden. Es gibt in vielen Bereichen sehr gute Bachelorarbeiten, Masterarbeiten oder Promotionen, die sich mit verschiedenen Facetten der Nachhaltigkeit beschäftigen. Viele Professoren forschen dazu. Die Idee ist, dass wir das kanalisieren. Wenn es uns gelingt, die Studierenden und die Forschenden in diesen Prozess mit einzubeziehen, wird uns das helfen, den Nachhaltigkeitsbericht mit Evidenz zu füllen.
Es soll auf keinen Fall ein Top-Down-Prozess sein, sondern bewusst eine Einladung an die gesamte universitäre Community.
Martin Paul
Paul: Es soll auf keinen Fall ein Top-Down-Prozess sein, sondern bewusst eine Einladung an die gesamte universitäre Community. Wir haben uns zum Beispiel schon mit den Students for Future getroffen, die hatten ganz viele tolle Ideen, die eigentlich unseren ganz gut entsprachen. Wir lassen uns durch solche Gruppen stimulieren und mitnehmen. Im Prinzip ist es unsere Aufgabe, erstmal eine Plattform zu schaffen, um diese vielen Ideen zusammenzubringen und sie insofern zu kanalisieren, als wir sagen: Welche können wir umsetzen? Was ist realistisch? Was sind die Ziele? Was nehmen wir uns vor? Und: Welche Ambitionen haben wir als Universität? Das ist kurz gesagt der Prozess, den wir jetzt angestoßen haben. Das nun veröffentlichte Mission Statement bündelt in einem ersten Schritt das Nachhaltigkeitsverständnis und das Selbstverständnis der RUB, den Antrieb und das Umfeld der Universität, um als universitäre Gemeinschaft den Weg zu einer nachhaltigen RUB 2030 zu gehen.