Serie Neu ernannt
Die Mediävistin Christina Lechtermann schätzt besonders die Vielfalt der Literatur des Mittelalters.
© RUB, Marquard

Germanistik Christina Lechtermann erforscht How-to-Books des Mittelalters

Die Mediävistin beleuchtet geistliche Dichtung und die ganz frühen Vorläufer der gefragten How-to-Formate.

Vorläufer der heute so beliebten Tutorials oder „How-to“-Anleitungen gab es auch schon im Mittelalter – in Buchform. Diese Schriften sowie geistliche Texte der Epoche von 750 bis ungefähr 1600 erforscht Prof. Dr. Christina Lechtermann. Seit Oktober 2021 besetzt sie die Professur für Deutsche Literatur des Früh- und Hochmittelalters am Germanistischen Institut der RUB.

Mehr als Parzival, Tristan oder Walther

Lechtermann schätzt vor allem die Vielfalt der Literatur des Mittelalters, was häufig gar nicht weiter bekannt ist. „Viele kennen in der Regel nur Wolfram von Eschenbach oder Walther von der Vogelweide – und das finde ich schade, weil das Fach so eine interessante Breite hat und sich mit unterschiedlichen Textsorten auseinandersetzt. Es ist nicht gerechtfertigt, da so eine Art Label draufzukleben und zu denken: ah ja, Parzival.“

Dass das Mittelalter sehr viel mehr zu bieten hat, zeigt Lechtermann in ihrer Forschung und in ihren Lehrveranstaltungen. Darin geht es um geistliche Literatur des Mittelalters. „Diese würde ich als besonders typisch für die Vormoderne ansehen. Die Texte sind allerdings kaum erschlossen, teils sehr spröde, sehr ungewöhnlich für das moderne Auge. Die zunehmende Digitalisierung von Handschriften macht uns dieses Material in vielen Fällen überhaupt erst zugänglich.“

Wie Pilze aus dem Boden

Einen aktuellen Schwerpunkt von Lechtermanns Arbeit bilden die frühen How-to-Books, die sie im Rahmen von zwei DFG-Forschungsprojekten untersucht. Um 1500 beginnt mit dem Buchdruck eine fast explosionsartige Ausbreitung der Schriftlichkeit auch in der Volkssprache. „Das Spannende daran ist, dass Menschen anfangen, etwas aufzuschreiben und vor allem in Druck zu geben, die das vorher so nicht getan haben – zum Beispiel Handwerker. Der prominenteste Vertreter ist Dürer“, so Lechtermann.

„Im 16. Jahrhundert gibt es plötzlich eine ganze Reihe volkssprachlicher Bücher, die wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Sie versuchen zum Beispiel, praktische Geometrie für Dilettanten, also Kunstliebhaber, und für Laien zu erklären – das sind im Grunde How-to-Books: how to do it”, erläutert die Expertin. „Bei Literatur denkt man normalerweise an Romane oder Gedichte, aber mit diesen Drucken bekommt das Buch eine neue Dimension – genauso, wie man sagen kann, das Internet bekommt eine neue Dimension in dem Moment, in dem die Leute anfangen, selbst Tutorials einzustellen, zum Beispiel zu der Frage: Wie schneidere ich eine Corona-Maske?”

Fast fertig ist eine Monographie Lechtermanns über Zirkel- und Richtscheitlehren des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Aus Frankfurt bringt sie ein neues Projekt an die RUB mit, das im Herbst 2021 begonnen hat. Zusammen mit einem Kunsthistoriker, Wolf Löhr, bearbeitet sie innerhalb eines großen Forschungsverbunds ein Teilprojekt zur Kunstbuchliteratur.

Zur Person

Christina Lechtermann kennt die RUB und Bochum bereits aus ihrer Zeit als Juniorprofessorin in den Jahren 2010 bis 2015. Danach war sie bis September 2021 Professorin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, ehe sie den Ruf an die RUB angenommen hat.

Christina Lechtermann wurde 1971 in Werther in Westfalen geboren. Nach dem Abitur hat sie Ältere deutsche Literatur an der Universität Paderborn studiert und 1997 als Magistra abgeschlossen. 2003 wurde sie an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert. 2013 erlangte sie an der Ruhr-Universität Bochum die Lehrbefugnis im Fach Deutsche Philologie.

Veröffentlicht

Dienstag
21. Dezember 2021
09:56 Uhr

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