
Florian Sprenger will grundsätzliche Fragen stellen.
Medienwissenschaft
Florian Sprenger baut künstliches Leben im Computer nach
Der Medienwissenschaftler lässt sich durch Debatten der 1980er-Jahre inspirieren für eine neue Perspektive auf Künstliche Intelligenz von heute.
Was bedeutet vor dem Hintergrund des Digitalen eigentlich Leben? Was ist Intelligenz? Was ist die Welt für ein neuronales Netzwerk? Diese grundlegenden Fragen treiben Prof. Dr. Florian Sprenger um. Er wurde zum 1. April 2025 Professor für Virtual Humanities am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, wo er seit 2020 bereits tätig war.
Seine Professur ist eingebettet in den Sonderforschungsbereich „Virtuelle Lebenswelten“. In dessen erster Förderphase hat Sprenger mit seinem Team bereits an Autonomen Autos geforscht. Um zu verstehen, wie sich autonome Fahrzeuge in ihrer Umgebung orientieren, konstruierten die Forschenden einen einfachen Roboter von Grund auf selbst. Ziel war es nicht, ein perfekt autonom fahrendes Auto zu bauen – das könnten Ingenieur*innen besser –, sondern zu ergründen, welche Entscheidungen getroffen werden müssen, damit aus den Daten, die das System generiert, ein Modell der Welt entsteht, mit dem das Fahrzeug interagieren kann. Diese Entscheidungen wurden von Menschen getroffen.
Höchst umstrittene Fragen
Für die nächste Förderphase möchte Florian Sprenger künstliches Leben ins Auge fassen, wie es gegen Ende der 1980er-Jahre höchst umstritten war. „Es ging damals darum, aus einfachen Regeln komplexes Verhalten zu generieren“, erklärt er, „und letztlich ein System aufzubauen, das sich selbst reproduzieren kann.“ Zu dieser Zeit dominierte die symbolische Künstliche Intelligenz, während die konnektivistische KI – auf der die aktuellen Erfolge der KI fußen – verpönt war. „Die Naturwissenschaften sind mit dem Thema künstliches Leben inzwischen längst fertig“, sagt Sprenger. „Aber es ermöglicht uns als Geisteswissenschafler*innen, grundlegende Fragen zu stellen.“
Die Forschenden wollen die Software der 1980er-Jahre wieder zum Laufen bringen und an ihrem Beispiel etwa analysieren: Was sind virtuelle Umgebungen? Wie erzeugen Roboter eine Welt? Auch seinen Studierenden will Florian Sprenger durch die Auseinandersetzung mit diesen Fragen medienpraktische Kompetenzen vermitteln, um den Umgang mit Algorithmen und Programmen besser verstehen zu können. „Es ist eine typische Herangehensweise der Geisteswissenschaften, sich aus der Vergangenheit Inspiration für die Interpretation der Zukunft zu holen“, sagt der Medienwissenschaftler.