Physik Michael Scherer ist auf der Suche nach exotischen Quantenmaterialien
Mit mathematischen Verfahren analysiert der neu ernannte Professor der RUB Materialien, deren Eigenschaften von besonderen Wechselwirkungen der Einzelteilchen bestimmt werden.
Die Vielzahl von Atomen und ihre Anordnung bestimmen die Eigenschaften eines Materials. Eine Herausforderung ist es jedoch, von der atomaren Struktur direkt auf die Eigenschaften schließen zu können. Genau daran arbeitet Prof. Dr. Michael Scherer, der seit 1. Januar 2022 die Professur für Theoretische Physik, insbesondere Festkörperphysik korrelierter Systeme, an der RUB innehat. Mit seinem Team ist er auf der Suche nach exotischen Materialien, deren Eigenschaften durch starke Korrelationen zwischen den Teilchen entstehen. Diese starken Korrelationen sorgen dafür, dass das Kollektiv der Teilchen Charakteristika besitzt, die sich nicht erklären lassen, wenn man die Teilchen einzeln betrachtet. Magnetismus und Supraleitung entstehen etwa auf diese Weise.
Mathematisches Verfahren zoomt Schritt für Schritt heraus
„Aus der Zusammensetzung und Anordnung der Atome ergibt sich im Prinzip, ob es sich bei einem Material um einen Magneten, einen Isolator, einen Supraleiter und so weiter handelt“, erklärt Michael Scherer. „Gerade wenn starke Korrelationen im Spiel sind, ist es aber herausfordernd, mit den Gesetzen der Quantenphysik basierend auf den mikroskopischen Eigenschaften vorherzusagen, welche makroskopischen Eigenschaften ein Material hat.“ Scherers Team nähert sich diesem Problem mit einem besonderen mathematischen Verfahren, funktionale Renormierungsgruppe genannt.
„Im Grunde funktioniert es wie ein Mikroskop mit verstellbarer Auflösung, nur umgekehrt“, erklärt er. „Wir starten mit der feinsten Auflösung, in der wir die mikroskopischen Eigenschaften, also die Anordnung der Atome und Elektronen beschreiben. Dann zoomen wir schrittweise heraus und machen die Auflösung immer gröber.“ So machen sich mehr und mehr die makroskopischen Eigenschaften des Materials bemerkbar. Am Ende des Verfahrens können die Forschenden feststellen, in welchem Zustand sich das Material befindet, also ob es beispielsweise ein Supraleiter oder Isolator ist.
Supermaterial Graphen
Michael Scherer interessiert sich derzeit besonders für Graphen. Es besteht aus reinem Kohlenstoff und ist in einer zweidimensionalen Honigwabenstruktur angeordnet – dadurch ist es das dünnste existierende Material überhaupt. Auch hier sind starke Korrelationen am Werk, wenn man zwei oder drei Lagen von Graphen auf eine bestimmte Weise kombiniert. „Graphen besitzt aufgrund seiner Struktur viele erstaunliche Eigenschaften, zum Beispiel eine ungewöhnlich hohe mechanische Stabilität und eine exzellente elektrische Leitfähigkeit“, so Scherer. Daher hat es beispielsweise Potenzial für miniaturisierte Anwendungen in neuen Technologien. Aus der Perspektive der Grundlagenforschung ist Graphen zudem interessant, weil seine Erforschung helfen könnte, Quanten-Vielteilchensysteme grundsätzlich zu verstehen. Mit seiner Arbeitsgruppe arbeitet Scherer intensiv an diesem Verständnis.