Khashayar Mahdavi und Rozhina Hadi (rechts) möchten der iranischen Gesellschaft eine Stimme in Deutschland geben.
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Iran Zwischen Trauer und Mut

Rozhina Hadi und Khashayar Mahdavi unterstützen von Deutschland aus die Proteste in ihrer Heimat.

Rozhina Hadi lebt seit 2015 in Deutschland und studiert Jura an der Ruhr-Universität. Khashayar Mahdavi ist seit 2021 in Deutschland. Er studiert Sozialwissenschaft. Beide verfolgen intensiv das, was seit September 2022 im Iran, ihrer Heimat, passiert. Wir haben mit ihnen darüber gesprochen, wie es ihnen damit geht und wie sie von hier aus aktiv sind.

Wie war es, als Sie von den Protesten im Iran das erste Mal erfahren haben? Wie haben Sie darüber gedacht?
Rozhina Hadi: Die Proteste haben in den Semesterferien, September 2022, begonnen. Ich wurde zuerst durch Twitter auf den Mord an Mahsa (Jina) Amini aufmerksam. Das hat mich sehr betroffen, denn ich habe mich ihr sehr verbunden gefühlt. Sie war nicht viel älter als ich und kam aus einer Nachbarstadt meiner Heimatstadt. Ich musste oft daran denken, dass auch ich damals mit 13 oder 14 Jahren mit der Sittenpolizei und Hijabvorschriften in Berührung kam und einige negative Erfahrungen machte. Aber alles nicht so schlimm wie das, was Mahsa geschah.

Khashayar Mahdavi: Zuerst habe ich an meine jüngere Schwester, meine Eltern und meine Freunde im Iran gedacht. Sie sind politisch engagierte Personen und ich muss mit Gefahren für sie rechnen. Als ich noch im Iran war, habe ich an allen Protesten seit 2009 teilgenommen und die ansteigende Brutalität von den Unterdrückungskräften im Laufe der Zeit gesehen. Diesmal ist aber alles nur reine Brutalität, obwohl die Protestierenden immer friedlich geblieben sind.

Es hat mir wieder gezeigt, dass menschliche Bosheit keine Grenze haben kann. Jedes Video und jede Nachricht aus dem Iran hat mich runtergezogen. Ich habe viel geweint und denke, dass alle friedlichen Menschen, die die Nachrichten mitbekommen haben, psychisch verletzt sind.

Ich will nicht meine Chance verlieren, die Stimme der Gesellschaft im Iran zu repräsentieren.


Khashayar Mahdavi

Sie sind auch aktiv geworden? Was haben Sie gemacht?
Hadi: Ich habe angefangen, auf Twitter die Nachrichten zu reposten und auf Instagram Stories auf meinem privaten Konto hochzuladen. Damit wollte ich sowohl die Nachrichten verbreiten als auch meine Freundinnen, Freunde und Bekannte, auch aus Deutschland, über die Situation im Iran informieren.

Gemeinsam mit meiner Familie und meinem Freunden habe ich an vielen Demonstrationen in Deutschland, vor allem in Düsseldorf, teilgenommen. Ich wollte aber selbst mehr aktiv werden und nicht nur eine Teilnehmerin sein. Deshalb habe ich beispielsweise bei der Organisation von Kundgebungen mitgeholfen oder habe mit meiner Mutter eine in Hagen geplant und durchgeführt.

Mahdavi: Ich war immer politisch engagiert, habe jedoch versucht, mich zuerst wissenschaftlich mit den Themen auseinanderzusetzen. Ich hatte in Teheran meinen Bücher-Club und wir haben da viel gemeinsam gelesen, sei es Klassiker, politikwissenschaftliche Bücher oder Romane. Wir haben versucht, unsere Erkenntnisse zu verbreitern, damit wir adäquater reagieren können. Wir konnten jedoch nicht offenkundig agieren, weil jegliche systemkritische Aktivität von dem islamischen Regime im Iran verboten wird.

Hier in Deutschland habe ich zum ersten Mal die Möglichkeit, offensichtlich aktiv zu sein. Die Bedrohungen des islamischen Regimes haben zwar kein Ende, auch gegen uns im Ausland nicht, aber ich will nicht meine Chance verlieren, die Stimme der Gesellschaft im Iran zu repräsentieren.

Manchmal gibt es Ruhephasen und dann auf einmal explodiert die ganze Wut, die sich in den Menschen angesammelt hat.


Rozhina Hadi

Wie schätzen Sie die Lage gerade ein?
Hadi: Die Situation ist sehr dynamisch und verändert sich immer wieder. Manchmal gibt es Ruhephasen und dann auf einmal explodiert die ganze Wut, die sich in den Menschen angesammelt hat. Das führt dann zu weiteren Protesten.

Die Menschen im Iran sind momentan sehr sauer, traurig, aber auch bereit, sich für ihre Freiheit einzusetzen. Sehr viele haben es satt, jeden Tag Nachrichten über weitere Tode zu hören. Viele haben es satt, darauf zu warten und zuzuschauen, was mit den Inhaftierten passiert. Sie haben es satt, ihre Berufe nicht richtig ausüben zu können. Vor allem haben sie es satt, jeden Tag in Angst zu leben. Die junge Generation möchte für sich eine Zukunft bauen und sie sieht, dass sie ihr Ziel nur durch eine Revolution und einen Systemwechsel erreichen kann.

Wie ist die Kommunikation in den Iran? Wie sind Sie im Kontakt mit Familie und Freunden?
Hadi: Seit den Protesten ist es sehr schwer geworden, meine Familie und Freunde und Freundinnen zu kontaktieren. Früher konnten wir sie einfacher als jetzt über Online-Anbieter, wie WhatsApp oder Instagram, anrufen oder eben mal eine Nachricht senden. Jetzt ist das aber nicht mehr möglich, denn die Internetverbindung im Iran ist sehr eingeschränkt. Viele Apps werden zensiert und die Bandbreite wurde massiv reduziert. Darüber hinaus müssen wir sehr vorsichtig damit sein, was wir einander erzählen, weil die Anrufe alle abgehört werden.

Mir fehlt sehr oft der Kontakt zu meiner Familie und meinen Freundinnen und Freunden im Iran. Ich habe sie seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen und jetzt müssen wir auch auf unseren einzigen Weg, mit ihnen mal zu reden, verzichten. Das macht es gerade für mich, und natürlich viele andere, noch schwieriger. Vor allem jetzt sorge ich mich wegen der Proteste und der überhöhten Brutalität der Sicherheitskräfte noch mehr um sie.

Psychologische Beratung

Für Studierende mit persönlichen Problemen und Belastungen, die Einfluss auf ihr Studium haben, gibt es an der Ruhr-Universität die psychologische Beratung. Das Experten-Team bieten auch eine Austauschgruppe für iranische Studentinnen an.

Welche Rolle spielen Studierende im Iran bei den Protesten?
Hadi: Eine sehr wichtige, wenn nicht die wichtigste Rolle. Diese Proteste sind die Proteste der jungen Generation. Die Studierenden sind das Herz und die Seele dieser Proteste.

Mahdavi: Ihr Engagement und Mitmachen beweist, dass dieser Protest einen jungen Charakter hat. Zudem äußern sie sich auf kreative Art und Weise, sei es durch Formulierung neuer und progressiver Parolen als auch Mitsingen der revolutionären Lieder auf dem Campus oder Kunstinstallationen in der Stadt.

Außerdem ist auch die Rolle von Schülerinnen und Schülern zu berücksichtigen. Sie sind unter 18 und niemand möchte sie zur Bewegung anregen, aber sie spüren selbst, wie absurd das Leben unter diesem System ist, und tolerieren das einfach nicht.

Wenn die Gesellschaft die Bewegung der jüngeren Generationen sieht, wird bemerkt, dass etwas Grundsätzliches zu verändern ist. Sie bemerkt, dass dieses System überhaupt nicht stimmt.

Ich fühle mich nicht hilflos und werde weiterkämpfen.


Khashayar Mahdavi

Wie geht es Ihnen dabei, diese Situation so lange schon zu beobachten?
Mahdavi: Ich finde, man gewöhnt sich nicht daran, die Brutalität mitzubekommen. Ich weine weniger, aber es zeigt nicht, dass ich damit klarkommen kann. Dagegen fühle ich mich innerlich dauerhaft traurig. Allerdings fühle ich mich nicht hilflos und werde weiterkämpfen.

Hadi: Für mich ist das mental und emotional sehr schwer. Gerade aus der Ferne zuzuschauen lässt mich hilflos fühlen.

Wie sind Sie gerade aktiv?
Mahdavi: Wir sind in Bochum und im Ruhrgebiet dabei, mit studentischen Kollektiven eine Föderation von studentischen Gruppen im Ausland zu bauen. Unter unserem aktuellen Kollektiv möchten wir uns mehr für Menschen im Iran einsetzen und ihre Stimme hier in Bochum sein. Wir planen beispielsweise weitere Kundgebungen, aber auch informative und kulturelle Veranstaltungen.

Hadi: Beispielsweise haben Khashayar und ich am 30. November 2022 eine Demonstration mit einer Gruppe aus iranischen Studierenden auf der Brücke zwischen dem Campus und dem Unicenter organisiert. Wir waren damals sehr enttäuscht darüber, dass wir die Kundgebung nicht auf dem Campus veranstalten durften. Bei unseren weiteren Plänen und Aktivitäten wie Veranstaltungsreihen oder Infoabenden sind wir auf die Zusammenarbeit mit weiteren Akteurinnen und Akteuren wie die Universität angewiesen.

Die Öffentlichkeit muss mehr über die Situation im Iran informiert werden.


Rozhina Hadi

Wie kann man von hier die Menschen im Iran unterstützen? Was brauchen die Menschen?
Hadi: Was sie auf jeden Fall nicht möchten, sind leere Worte. Einfache Kritik oder Ansprache des Themas durch Politikerinnen und Politiker bringt den Menschen im Iran nichts. Zwar wird die Öffentlichkeit vielleicht dadurch auf das Thema aufmerksam, aber das auch nicht nachhaltig.

Leider gehen solche Nachrichten sehr einfach unter. Die Öffentlichkeit muss mehr über die Situation im Iran informiert werden. Das kann man beispielsweise durch Beitragsreihen, Podiumsdiskussionen, Infoveranstaltungen erreichen.

Die Menschen im Iran brauchen aber vor allem Unterstützung durch gezielte Sanktionen und die Setzung der islamischen Revolutionsgarde auf die Liste der Terroristen. Sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der islamischen Republik und Regimesangehörigen und regimenahen Organisationen und Unternehmen müsste unterlassen werden.

Veröffentlicht

Dienstag
07. Februar 2023
09:05 Uhr

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