Biophysikalische Chemie Simon Ebbinghaus kehrt zum zweiten Mal nach Bochum zurück
Im Mittelpunkt seiner Forschung stehen die falsche Faltung von Proteinen und ihre Verklumpung in Zellen. Sie werden für die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen verantwortlich gemacht.
Zu den Erkrankungen, bei denen Nervenzellen zugrunde gehen, gehören unter anderen Alzheimer, Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, und Chorea Huntington. Als Ursache gelten falsch gefaltete und verklumpte Proteine. Prof. Dr. Simon Ebbinghaus will wissen, warum sie sich falsch falten. Den Ursachen geht er mit einer selbst entwickelten Methode auf den Grund, die es ihm und seinem Team erlaubt, die Proteinfaltung in lebenden Zellen zu beobachten. Damit unterscheidet sich seine Arbeit von der vieler anderer Gruppen, die dieselbe Frage mit in-vitro-Experimenten erforschen. Zum 1. August 2023 wurde er auf den Lehrstuhl Biophysikalische Chemie der Ruhr-Universität berufen. Der Lehrstuhl ist eingebunden in das Research Center Chemical Sciences and Sustainability der Research Alliance Ruhr (RAR).
„Wir wollen die Proteinfaltung bei Bedingungen erforschen, die denen in der lebenden Zelle sehr nahekommen“, erklärt der Biochemiker, der nicht nur an der Ruhr-Universität studiert, sondern hier auch zwischen 2010 und 2017 schon als Juniorprofessor geforscht hat. „Das Zellinnere ist unheimlich dicht und komplex mit Biomolekülen gepackt. Wir glauben, dass die lokalen Charakteristiken der Umgebung eine entscheidende Rolle bei der Proteinfaltung spielen.“ Daher hat er mit seinem Team verschiedene Ansätze entwickelt, um solche Bedingungen in Experimenten nachzustellen. Darüber hinaus haben die Forschenden eine Methode entwickelt und verfeinert, die es ermöglicht, die Proteinfaltung in lebenden Zellen zu beobachten.
Tröpfchen in der Flüssigkeit der Zelle
„Wir können die Entfaltung durch kurze Infrarotlaserpulse auslösen und beobachten, wie sich die Proteine zusammenlegen“, beschreibt Simon Ebbinghaus. „Das können wir inzwischen nicht nur in der gesamten Zelle beobachten, sondern auch auf kleinerer Ebene innerhalb von Zellen.“ Dabei sind besonders die sogenannten biomolekularen Kondensate interessant, die durch Phasentrennung entstehen: kleine Einheiten der Zellflüssigkeit, die wie ein Öltröpfchen in Wasser von der übrigen Zellflüssigkeit getrennt sind. Sie entstehen bei Zellstress zum Beispiel durch erhöhte Temperatur oder auch durch Chemikalien wie etwa Arsenite. Man vermutet, dass bestimmte Tröpfchen dazu dienen könnten, in Stresssituationen bestimmte Biomoleküle zu binden. „Geklärt ist die Frage der Funktion dieser verschiedenartigen Kondensate allerdings noch nicht“, so Simon Ebbinghaus. Er und sein Team untersuchen, ob die Kondensate auch dazu beitragen könnten, dass sich Proteine, auch unter Stress, richtig falten und in dieser Funktion eine wichtige Aufgabe für die Zelle erfüllen. Um das herauszufinden, beobachten die Forschenden die Protein- oder auch die RNA-Faltung innerhalb und außerhalb solcher Kondensate. Im Mittelpunkt stehen dabei zurzeit die Erkrankungen ALS und Huntington.
In der RAR plant Simon Ebbinghaus, die bereits vorhandenen Vernetzungen weiter zu vertiefen. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen an der Technischen Universität Dortmund und der Universität Duisburg-Essen denkt er zum Beispiel daran, Moleküle zu entwickeln, welche die Tröpfchenbildung in Zellen beeinflussen können. Darüber hinaus ist bekannt, dass sich bestimmte Enzyme bevorzugt innerhalb der Kondensate ansammeln und sich vernetzen. „Dieses Prinzip könnte man vielleicht auch für verschiedene chemische und biochemische Anwendungen nutzen“, wagt er einen Ausblick.