Mathematik Karin Baur übersetzt Flächen in algebraische Strukturen
„Mathe war nie ein Angstfach“, sagt Karin Baur, die sich schon als Kind für mathematische Rätsel begeisterte. Als Professorin für reine Mathematik forscht sie heute zu den großen Fragen der Algebra.
Denken wir an einen Donut. Wie lässt sich die Oberfläche des Donuts mathematisch beschreiben? Man könnte zum Beispiel einzelne Punkte auf der Oberfläche festlegen und anfangen, diese mit Kurven zu verbinden, bis Vielecke entstehen. Diese wiederum könnte man mit weiteren Kurven verfeinern, bis sie alle drei Seiten haben. All diese Kurven oder Diagonalen fasst die Mathematik als Objekte einer Kategorie oder als Variablen auf. Wie ist nun der Zusammenhang zwischen den abstrakten algebraischen Objekten und den Kurven auf der Oberfläche des Donuts? Mit solchen kombinatorischen Fragestellungen befasst sich Karin Baur in ihrem Forschungsalltag. Die Mathematikerin hat seit Anfang April 2024 die Professur für Reine Mathematik an der Ruhr-Universität Bochum inne.
Abstrakt und vielfältig
„Die reine Mathematik ist schon relativ abstrakt. Es gibt wenige Anwendungen. Hauptsächlich geht es uns um Grundlagenforschung“, sagt Karin Baur über ihren Fachbereich. Die Mathematikerin hat sich innerhalb der reinen Mathematik auf das noch junge Gebiet der Clusteralgebren sowie den Zusammenhang zur Kombinatorik von Flächen spezialisiert und möchte hierzu auch in den kommenden Jahren in Bochum weiter forschen.
Ich möchte verstehen, welche algebraischen Strukturen man mit welchen Flächen in Verbindung bringen kann.
Karin Baur
„Ich möchte verstehen, welche algebraischen Strukturen man mit welchen Flächen in Verbindung bringen kann. Da gibt es noch sehr viel zu erforschen. Der Bereich ist vielfältig, lebhaft und interaktiv“, so Baur. „Nehmen wir zum Beispiel die Flachwasserwellen auf einem Strand. Diese bilden an der Oberfläche geometrische Formen, die wie Vielecke aussehen und erinnern damit an Clusteralgebren“.
Kindheitstraum Mathematikerin
Die gebürtige Schweizerin begeistert sich seit dem Mathe-Studium für Algebra, Darstellungstheorie und insbesondere Cluster-Algebren; die Faszination für die Mathematik entdeckte sie in ihrer Kindheit. „Ich habe es schon als Kind geliebt, zu knobeln, zu rätseln, Strukturen zu erkennen und Dinge herauszufinden. Meine Eltern sind keine Akademiker, aber haben immer gesagt, Mathematik sei lustig und spannend. Ich wusste also, das ist was Cooles. Mathe war nie ein Angstfach“, erzählt Baur.
Bei mir blieb die Faszination für Mathematik.
Karin Baur
„Ich habe mich schon immer für Mathematik interessiert. Andere Mitschüler wollten als Kind etwa Lokomotivführer werden, änderten dann aber ihre Meinung. Bei mir blieb die Faszination zur Mathematik. Nach der Schule habe ich jedoch gezögert, direkt in diese Richtung zu gehen, ohne andere Interessen auszuprobieren“, erinnert sich Baur weiter. „Ich habe nach dem Abschluss also erst einmal in die Medizin reingeschnuppert und dann ein paar Monate in Paris die Geisteswissenschaften ausprobiert. Aber ich habe die Mathematik und ihre klaren Regeln schnell vermisst.“ Und so entschied sich Baur für ein Studium der Mathematik; im Nebenfach studierte sie Philosophie und Französisch.
Mathematikerinnen fördern
Neben ihrer Begeisterung für Variablen, Kategorien und Kombinatorik, ist es der Mutter von vier Kindern ein ebenso großes Anliegen, Schülerinnen, Studentinnen und Nachwuchsforscherinnen in ihrem Wunsch, Mathe zu vertiefen, zu unterstützen. „Ich beobachte in der Grundlagenphase häufig, dass Studentinnen sehr unsicher sind, obwohl sie auch mal mehr als ihre männlichen Kommilitonen können“, so Baur. Das setze sich dann häufig im Verlauf ihrer Karrieren fort. Frauen würden seltener Beiträge für Konferenzen einreichen und dort auch weniger in Erscheinung treten. „Auf einer Tagung war ich vor Kurzem die einzige Frau, die vorgetragen hat; die anderen Sieben waren Männer. Dabei gibt es so viele hervorragende Mathematikerinnen. Wenn man richtig schaut, dann findet man sie auch.“
Wir müssen einfach unseren Studentinnen und Forscherinnen häufiger sagen, dass sie gut sind.
Karin Baur
Wie nimmt man den jungen Frauen die Unsicherheit? Baur selbst hat ein Coaching zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere geholfen und empfiehlt das auch Nachwuchsforscherinnen. „Neulich hat mich eine Postdoktorandin um Rat gefragt. Die hatte einen tollen CV. Das habe ich ihr gesagt und sie hat sich sehr gefreut und bestärkt gefühlt. Wir müssen unseren Studentinnen, Forscherinnen und generell unserem wissenschaftlichen Nachwuchs häufiger sagen, dass sie gut sind.“