Julia Habermann ist Sozialwissenschaftlerin und forscht seit mehreren Jahren zum Thema Gewalt gegen Frauen. © David Ausserhofer

Interview Julia Habermann forscht zum Thema Gewalt gegen Frauen

Im Gespräch berichtet sie von aktuellen Ergebnissen und Herausforderungen.

Dr. Julia Habermann ist Sozialwissenschaftlerin und forscht seit mehreren Jahren zum Thema Gewalt gegen Frauen. Sie arbeitet am Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum. Ihre Dissertation „Partnerinnentötungen und deren gerichtliche Sanktionierung“ wurde mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung, dem Preis für hervorragende interdisziplinäre Dissertationen sowie dem Wilhelm-Hollenberg-Preis – letztere sind Preise der Gesellschaft der Freunde der Ruhr-Universität – gewürdigt. Im Zuge der NRW-weiten Aktion „Gewalt kommt mir nicht auf den Campus“ sprach das Team vom zentralen Gleichstellungsbüro der Ruhr-Universität mit ihr über ihre Forschung.

Welche Aspekte von Gewalt gegen Frauen untersuchen Sie? 
In meiner bisherigen Forschung wollte ich wissen, wie Täter verurteilt werden, die ihre aktuelle oder ehemalige Ehefrau, Partnerin oder Freundin getötet haben. Es handelt sich dabei um eine bestimmte Form des Femizids. Dafür habe ich Strafurteile ausgewertet.

Wie bewerten sie die Verurteilungen? 
Die Gerichte könnten stärker als bisher herausarbeiten, inwiefern die Tat dadurch motiviert war, den Macht- und Besitzanspruch über die Frau aufrechtzuerhalten. In den Beziehungen zeigten viele der Täter kontrollierendes Verhalten: Wo geht die Frau hin, wen trifft sie, mit wem chattet sie? Der Täter versucht den Alltag der Frau zu bestimmen. Wenn sich die Frau – was häufig geschieht – wegen dieser Kontrolle trennt oder trennen will, verliert er die Macht über sie. Mit dem Tötungsdelikt hindert er sie, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dies sollten Gerichte stärker in den Urteilen herausarbeiten. 

Vortrag

Am 28. November 2024 um 12.30 Uhr können Interessierte mehr über die Forschung von Julia Habermann erfahren. Im Rahmen der Aktion „Gewalt kommt mir nicht auf den Campus!“ hält sie den Vortrag „Femizide als gesellschaftliches Phänomen: Verbreitung, Muster und juristische Reaktionen“. Anmeldungen sind bis zum 26. November 2024 möglich. 

Welche Konsequenzen erwarten Sie beziehungsweise erhoffen Sie sich aus Ihren Forschungsergebnissen?
Ich hoffe, dass die Rechtswissenschaften sich noch stärker als bisher mit geschlechtsspezifischer Gewalt auseinandersetzen – zum Beispiel in der Aus- und Fortbildung oder in der juristischen Kommentarliteratur. Justizpraktiker*innen brauchen aus meiner Sicht ein besseres Verständnis, was geschlechtsspezifische Gewalt ist und welche Folgen und Herausforderungen sie für Betroffene mit sich bringt. 

Was kann jede*r Einzelne tun?
Aufmerksam sein! Das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt ist in Deutschland weiterhin hoch. Wir müssen uns auch fragen, wie sich Gewalt abseits von körperlicher und sexualisierter Gewalt zeigen kann. Aus meiner Sicht ist es daher zentral, auch auf Herabsetzungen und Demütigen, allgemeiner psychische Gewalt, und auch kontrollierendes Verhalten in Partnerschaften zu achten. Wir alle können für uns persönlich klären, wo beginnt in Partnerschaften Kontrollverhalten? 

Mehr zu Julia Habermanns Forschung

Jeden dritten Tag – so häufig tötet durchschnittlich ein Mann seine aktuelle oder ehemalige Partnerin in Deutschland. Entsprechend häufig müssen Gerichte über solche Taten Urteile fällen. Doch wie sanktionieren sie diese Partnerinnentötungen? Julia Habermann hat dies in ihrer Dissertation anhand von 154 Partnerinnentötungen und 318 Tötungsdelikten, bei denen eine andere Person als die Partnerin getötet wurde, untersucht. Sie beschreibt die Taten, deren Entstehung und wie die Täter verurteilt werden. Mehr zu ihrer Forschung:

Veröffentlicht

Montag
25. November 2024
13:12 Uhr

Von

Zentrales Gleichstellungsbüro

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