Bauingenieurwissenschaft Roger Sauer erforscht Grenzflächen und Strukturen
Wie erhält eine Zelle ihre mechanische Stabilität? Was passiert an der Grenzfläche zwischen Gummi und Glas, wenn ein Scheibenwischer ein Fenster putzt? Solche Fragen treiben den neu ernannten Professor um.
Seit 1. April 2024 verstärkt Roger Sauer das Team der Fakultät für Umwelt- und Bauingenieurwissenschaften. Er hat die Professur für Statik und Dynamik inne und interessiert sich für besondere Strukturen aus der Natur und für die Vorgänge an Grenzflächen. Beispielsweise erforscht er mit Kolleginnen und Kollegen was an der Kontaktfläche zwischen einem Knochen und einem Implantat passiert. „Beide Komponenten sollen einen festen Verbund eingehen, damit das Implantat nicht herausrutscht“, sagt er. „Welche physikalischen Prozesse laufen an der Grenzfläche ab? Welche Prozesse fördern das Anwachsen, welche hemmen es? Solche Fragen interessieren uns.“ Antworten darauf sucht sein Team mit numerischen Simulationen und durch die Entwicklung neuer Theorien.
Implantate sind dabei nur ein denkbarer Anwendungsbereich. Auch andere Verbünde, etwa die Grenzfläche zwischen einem Träger und einer Stütze in einem Bauwerk, können mit den Methoden des Lehrstuhls betrachtet werden. „Wir entwickeln neue Werkzeuge, um Prozesse an Kontaktflächen besser beschreiben zu können“, erklärt Sauer. „Beispielsweise auch, um die Reibung an Kontaktflächen von Gummi mit anderen Materialien zu verstehen.“ Scheibenwischer, Dichtungsringe, Reifen – Anwendungsbeispiele gibt es genug. Im Fokus steht das grundlegende Verständnis der Prozesse an den Grenzflächen. Die dazu entwickelten Algorithmen erlauben aber auch Vorhersagen zum Abrieb und damit zur Lebensdauer des Materials.
Wie mechanische Reize biologische Prozesse beeinflussen
Ein anderer Fokus von Roger Sauer und seinem Team ist die Strukturmechanik. Die Forschenden wollen verstehen, wie die Struktur von Zellen und vor allem Zellmembrane funktioniert. „Zellen sind hochkomplex und stehen in ständiger Wechselwirkung zu ihrer Umgebung“, erklärt Sauer. „Sie reagieren auf mechanische Reize, zum Beispiel entwickeln sich Stammzellen unterschiedlich, wenn sie in Kontakt mit einem festen oder weichen Untergrund sind.“ Wie solche mechanischen Reize biologische Prozesse beeinflussen, möchte Sauer genauer ergründen.
„Das ist meiner Meinung nach ein Thema, mit dem noch viele Generationen von Forscherinnen und Forschern zu tun haben werden“, prognostiziert er. Und natürlich ist es ein Thema, das man nicht allein bearbeiten kann. „Ingenieure kooperieren oft mit anderen Bereichen, weil man viele Probleme nicht aus einer Disziplin heraus lösen kann, sondern verschiedene Blickwinkel braucht“, so Sauer. „Die klassischen Probleme einzelner Disziplinen sind häufig schon gelöst.“
Nicht nur die Kooperationen über Disziplingrenzen hinweg ist Roger Sauer wichtig. Auch über Ländergrenzen hinweg ist er bestens vernetzt. Seine Hauptkooperationspartnerinnen und -partner befinden sich in Frankreich, Indien, Polen und den USA.