Wirtschaftswissenschaft Gehen durch die Digitalisierung Arbeitsplätze verloren?
Die kurze Antwort lautet: Nein. Auch wenn eine Studie etwas anderes behauptet hat.
Jeder zweite Arbeitsplatz wird in Deutschland durch die Digitalisierung verlorengehen. Mit dieser Aussage schockierte eine Studie, die 2013 von Forschenden der Universität Oxford veröffentlicht wurde und in den Medien Wellen schlug. „Diese Studie zeichnet ein viel zu negatives Bild der Digitalisierung“, sagt Prof. Dr. Thomas Bauer, Leiter des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung an der RUB. „In Deutschland müssen wir uns keine größeren Sorgen machen, dass die Digitalisierung Massenarbeitslosigkeit zu Folge haben wird.“
Das Problem mit der eingangs erwähnten Studie: „Sie hat nur ermittelt, welche Berufe potenziell durch Maschinen und Computeralgorithmen ersetzt werden können, aber nicht, welche neu entstehen“, sagt der Bochumer Wirtschaftsforscher. Gefährdet sind solche Berufe, in denen repetitive Aufgaben im Vordergrund stehen und keine neuen Probleme gelöst werden müssen – also Aufgaben, die leicht von Robotern oder Algorithmen übernommen werden können. „Allerdings wurden für die Schätzung Berufsklassifikationen zugrunde gelegt, die heute nicht mehr zutreffend sind beziehungsweise es in Zukunft nicht sein werden“, erklärt Bauer. Denn Berufsbilder ändern sich. KFZ-Mechaniker verschwinden nicht einfach, stattdessen werden KFZ-Mechatroniker gesucht, um den zunehmenden Anforderungen durch die Elektronik in den Autos Rechnung zu tragen. Oft verringert sich also nicht die Anzahl der Stellen; die Digitalisierung verändert vielmehr die nachgefragten Tätigkeiten. Das wurde in der Studie nicht hinreichend berücksichtigt. Natürlich können manche Berufe überflüssig werden; dafür entstehen aber auch neue Tätigkeitsfelder etwa im Bereich der Programmierung oder der Überwachung, Wartung und Reparatur der Roboter.
Keine Massenarbeitslosigkeit zu erwarten
Betroffen sind laut Thomas Bauer vor allem Stellen mit geringen und mittleren Qualifikationsanforderungen, etwa wo Verwaltungstätigkeiten leicht automatisiert und somit von Maschinen übernommen werden können. „Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, werden sich künftig eher im Dienstleistungsbereich wiederfinden“, erklärt der Forscher. Neue Tätigkeitsfelder würden sich zudem in kognitiv oder kommunikativ anspruchsvollen Bereichen ergeben, für die besondere berufliche Qualifikationen erforderlich sind.
Pro Jahr müssten eigentlich 800.000 Erwerbstätige nach Deutschland ziehen, um den Bedarf decken zu können.
Thomas Bauer
Probleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt in Form von Massenarbeitslosigkeit sieht Thomas Bauer durch diese Verschiebungen in der Struktur der nachgefragten Tätigkeiten jedoch nicht kommen. Die duale Berufsausbildung bereite die zukünftigen Erwerbstätigen in Deutschland gut auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vor, so der Forscher. Durch den demografischen Wandel würden zudem immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fehlen. „Pro Jahr müssten eigentlich 800.000 Erwerbstätige nach Deutschland ziehen, um den Bedarf decken zu können“, rechnet er vor.
Genug Stellen im Bereich der personennahen Dienstleistungen
Selbst wenn durch die Digitalisierung Stellen mit geringen oder mittleren Qualifikationsanforderungen wegfallen, wird es im Bereich der personennahen Dienstleistungen auch in Zukunft genug Stellen für Menschen geben, die über keine höhere Schulbildung verfügen. „Jetzt schon werden in der Gastronomie oder im Pflegebereich händeringend Mitarbeitende gesucht“, gibt Bauer ein Beispiel.