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Sprachwissenschaft Wie die Medien den Ruhrdialekt beeinflussen
Was in Comedy oder Filmen als typisch für das Ruhrdeutsche gilt, verkennt oft die wahren Merkmale des Dialekts. Das hat Folgen für die tatsächliche Sprache im Pott.
Wie Menschen im Ruhrgebiet ihren eigenen Dialekt wahrnehmen und wie die Medien diesen prägen, hat das Team vom Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Im Wissenschaftsmagazin Rubin beschreiben die Linguisten ihre Ergebnisse.
Das Fazit: In der Mediensprache, dem sogenannten Mediolekt, werden einige Einzelelemente aus dem Ruhrdeutschen häufiger als üblich verwendet, fast in jedem Satz und dann noch überspitzt. Dabei fokussiert die mediale Darstellung auch Merkmale, die eigentlich nicht typisch für das Ruhrdeutsche sind. Hingegen werden repräsentative Eigenheiten oft gar nicht genutzt. Der Mediolekt wiederum wirkt auf den tatsächlich gesprochenen Dialekt, den Regiolekt, zurück. Denn viele Menschen im Ruhrgebiet sind sich nicht bewusst, was ihren Regiolekt ausmacht.
Hörbelege vom Weihnachtsmarkt
Für die Analyse sammelte Steffen Hessler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Institut, unterschiedliche Medien mit ruhrdeutschen Inhalten: Filme, Comedy- und Kabarett-Sendungen, Romane, Youtube-Videos oder Ansichtskarten. Die Sprache in diesen Medien verglich er mit dem tatsächlich gesprochenen Dialekt.
Dazu nutzte er Hörbelege, die er selbst auf dem Weihnachtsmarkt und in öffentlichen Verkehrsmitteln gesammelt hatte, sowie Tonaufzeichnungen, die im Projekt „Korpus der gesprochenen Sprache des Ruhrgebiets“ entstanden waren, heute geleitet von Dr. Kerstin Kucharczik. Zusätzlich befragte Hessler Studierende und Abiturienten aus dem Ruhrgebiet, was für sie den Ruhrdialekt ausmache.
Der Mantateller ist nicht typisch
Ein Beispiel für ein nicht typisch ruhrdeutsches Merkmal, das dennoch häufig in den Medien mit dem Ruhrgebiet in Verbindung gebracht wird, sind zusammengesetzte Substantive, die etwas völlig anderes bezeichnen, als die beiden Komponenten vermuten lassen. Etwa der Mantateller, eine Umschreibung für Currywurst mit Pommes frites.
„Diese Zusammensetzungen mit einem Touch von Unterklassigkeit und diese Pommesbuden-Mentalität werden dem Ruhrgebiet gern zugeschrieben und von den Medien immer wieder durchgewalzt“, beschreibt Steffen Hessler. „Auch Ruhrdeutschsprecher sehen das als typische Begriffe ihres Dialekts an, obwohl solche sprachlichen Konstruktionen in allen Regionen vorkommen. Da überdeckt der Mediolekt den Regiolekt.“
Mediolekt ist Teil des Ruhrdeutschen
Als typisch Ruhrdeutsch gelten auch die t-Endung wie in „dat“ und „wat“ oder Kontraktionen wie „hasse“ oder „kannse“. Aber: „Diese sind gar nicht isoliert typisch für das Ruhrdeutsche“, sagt Kerstin Kucharczik. „Man kann sie auch in anderen Regionen finden.“ Wirklich typisch, aber kaum jemandem bewusst, sei es hingegen, wie Ruhrdeutschsprecher bestimmte Vokale in die Länge ziehen, zum Beispiel „Gelsenkiirchen“ sagen.
„Natürlich ist der Mediolekt Teil des Ruhrdeutschen, aber er ist nicht das, was auf der Straße gesprochen wird“, fasst Hessler zusammen.