
Sprachwissenschaft Britisches Englisch sollte nicht immer der Maßstab sein
In vielen Ländern Afrikas, in denen Englisch Amtssprache ist, haben sich eigene Varietäten der Sprache entwickelt. Das kann für die dortigen Schülerinnen und Schüler zum Problem werden.
Sprachwissenschaftler am Englischen Seminar der Ruhr-Universität Bochum (RUB) untersuchen, wie sich das Englische in den ehemaligen afrikanischen Kolonien entwickelt. Dort ist es in vielen Ländern Amtssprache. Mit den Daten, die sie vorwiegend aus Uganda haben, erstellen die Forscher einen Teil des „International Corpus of English“. Sie hoffen, dass dieses nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Sprachkontakt und Sprachwandel ermöglicht, sondern in Zukunft auch dazu beiträgt, dass Schüler und Schülerinnen sowie Studierende eine gerechtere Benotung ihrer Arbeiten erhalten. Denn obwohl sich die meisten Unterrichtsmaterialien am britischen Englisch orientieren, spricht kaum jemand in Afrika traditionelles Oxford-Englisch, selbst hochrangige Persönlichkeiten bei offiziellen Anlässen nicht. Das britische Englisch wird bei der Benotung jedoch in der Regel als Maßstab herangezogen.
Die Forscher um Prof. Dr. Christiane Meierkord vom Lehrstuhl für Englische Sprachwissenschaft arbeiten mit Kollegen der Universitäten Gulu und Makerere in Uganda zusammen. Sie untersuchen, was das Englische in diesem Land charakterisiert. Eine konkrete Beschreibung könnte später bei der Bewertung von Arbeiten an Schulen und Universitäten berücksichtigt werden. Zunächst sammeln die Forscher Rohdaten. Das können Audiomitschnitte von gesprochenem Englisch sein, aber auch Schriftstücke wie private Briefe, Zeitungsartikel, Dokumente oder wissenschaftliche Schriften.
Kleinteilige Analyse von Texten und Aufnahmen
Meierkord und ihren Mitarbeitern fiel zum Beispiel auf, dass die Ugander viel seltener das Wort „please“ benutzen, als dies in Großbritannien oder Amerika der Fall ist. Stattdessen verwenden sie häufig „I request that you …“. Eine Formulierung, die so viel heißt wie „Ich fordere dich auf …“ und außerhalb Ugandas sehr direkt und geradezu unhöflich erscheint.
Die Wissenschaftler befassten sich daraufhin intensiv mit Formulierungen auf der Höflichkeitsebene. Sie analysierten jeden einzelnen Sprechakt, berechneten für das Vorkommen einzelner Wörter die statistische Signifikanz, schauten sich bei Sprachaufnahmen die Intonationskurven an.
Interviews mit Menschen aus Uganda halfen den Forschern zu verstehen, warum auf die üblichen Höflichkeitsformulierungen verzichtet wird: Es gibt in der Muttersprache nichts Gleichbedeutendes. Ein „please“ oder „may you“ hätte dort keine Relevanz. Vielmehr drücke man damit aus, dass etwas nicht dringend oder wichtig sei. Als besonders höflich werden diese Formulierungen indes nicht verstanden.
Jede Kultur hat ihre sprachlichen Besonderheiten
Die Tatsache, dass die Menschen in Uganda eine eigene Varietät des Englischen entwickelt haben, ist nichts typisch Afrikanisches, sondern auch in Asien, in der Karibik und auf dem indischen Subkontinent zu beobachten. Das Ziel solle daher auch gar nicht sein, dass allerorts muttersprachliches britisches oder amerikanisches Englisch gesprochen werde, erklärt Meierkord. „Dieses Level erreichen nur ganz wenige Sprecher. Bei allen anderen, sogar bei vielen Anglisten, wird die Fremdsprache immer zu einem gewissen Teil von der Muttersprache beeinflusst sein, was man am Satzbau oder der Aussprache merkt.“ Zudem ergebe es auch aus kulturellen Gründen keinen Sinn, auf die jeweiligen landestypischen Besonderheiten der englischen Sprache zu verzichten.
Ausführlicher Beitrag in Rubin
Weitere Informationen finden Sie in einem ausführlichen Beitrag im Wissenschaftsmagazin Rubin der RUB. Texte auf der Webseite und Bilder aus dem Downloadbereich dürfen unter Angabe des Copyrights für redaktionelle Zwecke frei verwendet werden.