Tätern, die ihre (Ex-)Partnerin getötet haben, ging es fast immer um die Aufrechterhaltung von Macht und Kontrolle. Viele kontrollieren, wo die Frau war, wen sie getroffen hat, mit wem sie im Chat kommuniziert. © Damian Gorczany

Kriminologie „Ich bring Euch um, wenn Du nochmal so spät heimkommst“

Wenn ein Mann seine (Ex-)Partnerin tötet, kann das von Gerichten weniger schwer gewichtet werden als die Tötung anderer Personen. Das legen einige Gerichtsurteile nahe. Julia Habermann will es statistisch überprüfen.

Obwohl in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau durch ihren (ehemaligen) Partner getötet wird, ist Gewalt gegen Frauen hier unzureichend erforscht. Julia Habermann will mehr Licht ins Dunkel bringen. Die Sozialwissenschaftlerin arbeitet am Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum an ihrer Doktorarbeit über Tötungsdelikte in Paarbeziehungen. Besonders interessiert es sie, wie solche Taten von Gerichten bewertet und darauf basierend bestraft werden. Darüber berichtet Rubin, das Wissenschaftsmagazin der RUB.

Was strafmildernd wirkt

Bei der Festlegung einer Strafe gibt es verschiedene Faktoren, die das Gericht berücksichtigen kann. Die Richterinnen und Richter können ein Tötungsdelikt als Mord oder Totschlag werten, was unterschiedliche Strafen nach sich zieht. War der Täter zum Tatzeitpunkt vermindert schuldfähig, zum Beispiel, weil ein Affekt angenommen wird, kann die Strafe reduziert werden. Strafmildernd kann sich auch ein Geständnis der Tat auswirken oder die spontane Tatbegehung. All diese Möglichkeiten gelten natürlich für jedes Tötungsdelikt. Aber werden sie auch für alle gleichermaßen angewandt?

Julia Habermann ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitet am Lehrstuhl für Kriminologie der RUB an ihrer Doktorarbeit über Tötungsdelikte in Paarbeziehungen. © Damian Gorczany

Um das herauszufinden, untersuchte Julia Habermann Gerichtsurteile zu Tötungsdelikten. Insgesamt 472 Täter, deren Urteil in den Jahren 2015 bis 2017 für eine solche Tat gesprochen wurde, konnte sie in ihre Analyse einbeziehen.

In einer ersten grundlegenden Auswertung zeigt sich, dass bei Tötungsdelikten an Frauen bei weniger als der Hälfte der Täter auf Mord und auf lebenslange Freiheitsstrafen entschieden wird. Eine solche und weitere Auswertungen hat Julia Habermann auch für Tötungsdelikte an der (ehemaligen) Partnerin durchgeführt, die sie dann in Vergleich zu Tötungsdelikten an anderen Personen setzt.

Es wird der falsche Fokus gelegt

Bei der Bestimmung der Straflänge geht es aber auch darum, welche Aspekte die Richterinnen und Richter hervorheben und wie sie über die Tötungsdelikte schreiben. „Ich sehe in mehreren Urteilen, dass teils das stereotype Bild aufgenommen wird, dass es sich bei solchen Delikten um spontane Taten handelt“, berichtet sie. „Dabei ist zu sehen, dass sich mehrere der Täter bereits vorher mit der Möglichkeit befasst haben, die (ehemalige) Partnerin zu töten.“

„Ein Problem ist natürlich, dass die getöteten Frauen im Prozess keine Stimme haben“, so Habermann. „Aber es wird auch der falsche Fokus gelegt.“ Alle am Prozess Beteiligten müssten ihre Sichtweise hinterfragen, folgert die Forscherin. Man sei zu sehr geneigt, die Sichtweise des Täters zu übernehmen.

Beitrag in Rubin

Einen ausführlichen Beitrag zu dem Thema finden Sie im Wissenschaftsmagazin Rubin mit dem Schwerpunkt „Verbrechen“. Für redaktionelle Zwecke dürfen die Texte auf der Webseite unter Angabe der Quelle „Rubin – Ruhr-Universität Bochum“ sowie Bilder aus dem Downloadbereich unter Angabe des Copyrights und Beachtung der Nutzungsbedingungen honorarfrei verwendet werden.

Pressekontakt

Julia Habermann
Strafrecht, Kriminologie, Strafvollzug und Kriminalpolitik
Juristische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 21510
E-Mail: julia.habermann@rub.de

Veröffentlicht

Dienstag
08. März 2022
09:22 Uhr

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