Psychologie Auf der Suche nach dem gepfiffenen Spanisch
Alina Shamayeva und Jonathan Schuchert untersuchen in ihren Abschlussarbeiten, wie die kanarische Pfeifsprache im Gehirn verarbeitet wird. Dafür waren sie mehrere Wochen auf den Inseln unterwegs.
Berge, Hügel und weite Steppen: Wer schon einmal auf den Kanarischen Inseln Urlaub gemacht hat, weiß, dass es dort teilweise zwischen den Städten und Dörfern sehr weite Strecken gibt. Vor allem auf den kleineren Inseln La Gomera oder El Hierro. In diesen Flächen existiert meist kaum ein Mobilfunksignal. Deshalb greifen die Menschen dort auch 2019 noch auf die Jahrhunderte alte Pfeifsprache zurück, um von Berg zu Berg miteinander zu kommunizieren.
Die RUB-Studierenden Alina Shamayeva und Jonathan Schuchert widmen sich dieser Art der Kommunikation in ihren Abschlussarbeiten an der Fakultät für Psychologie. Betreut werden sie dabei von Prof. Dr. Onur Güntürkün und Privatdozenten Dr. Sebastian Ocklenburg*. Die Studierenden untersuchen, wie die Pfeifsprache im Gehirn verarbeitet wird. „In einer Vorlesung von Professor Onur Güntürkün habe ich erfahren, dass die türkische Pfeifsprache im Gehirn anders verarbeitet wird. Verglichen mit gesprochenem Türkisch findet eine stärkere Aktivierung der rechten Gehirnhälfte statt. Normalerweise ist die linke Seite in der Verarbeitung von Sprache dominant, bei Pfeifsprachen scheint es jedoch keine Asymmetrie zu geben“, sagt Masterstudent Jonathan Schuchert.
Die Studierenden kamen auf die Idee, das auch einmal für die kanarische Pfeifsprache zu untersuchen. „Ich habe die Idee zu dem Projekt sofort interessant gefunden. Wir können damit einen Teil zur Grundlagenforschung beitragen“, sagt Shamayeva. „Außerdem fand ich die Idee spannend, ein eigenes Forschungsprojekt durchzuführen und dafür auch vor Ort auf den Kanaren zu arbeiten“, sagt die Bachelorstudentin.
Mehrere Wochen sind die RUB-Studierenden im Sommersemester 2019 auf den Kanarischen Inseln unterwegs gewesen, um Menschen zu finden, die die Pfeifsprache beherrschen. Für die Akquise arbeiteten sie mit einer Initiative zusammen, die sich dafür einsetzt, die kanarische Pfeifsprache als Kulturgut zu schützen.
„Außerdem haben wir die Menschen vor Ort direkt angesprochen. Oft hat sich das dann auch von alleine rumgesprochen, dass wir Probanden suchen“, sagt Schuchert. „Wir haben sogar ein Interview im spanischen Radio und im kanarischen Fernsehen gehabt. So besonders war es, dass wir uns als Deutsche damit auseinandersetzen“, erzählt der Student. Geholfen hat es: Von einer Schülerin über einen Musiker bis hin zu einem alten Pfeifmeister, der in einem abgeschiedenen Bergdorf lebt, konnten sie ausreichend Versuchspersonen finden. „Wir haben insgesamt 51 Menschen mit der Elektroenzephalographie, kurz EEG, untersucht“, sagt Shamayeva.
Forschen an ungewöhnlichen Orten
So unterschiedlich die Menschen waren, die sie trafen, so verschieden waren auch die Orte, an denen sie das mobilie EEG nutzen. „Wir haben eine Person zum Beispiel in einem verlassenen Restaurant mit tollem Ausblick getroffen und dort direkt mit dem mobilen EEG untersucht“, so die Studentin.
Bei der Arbeit vor Ort unterstützten Wissenschaftler der Universität La Laguna die beiden Studierenden aus Bochum. Mit dem Promos-Stipendium konnten sie ihren Auslandsaufenthalt finanzieren.
Therapien entwickeln
Noch sammeln die Studierenden Datensätze für ihre Vergleichsgruppe, die aus nicht pfeifenden, spanischen Muttersprachlern besteht. Bis Ende 2019 möchten sie ihre Ergebnisse ausgewertet haben. „Bisher haben wir nur vorläufige Ergebnisse. Es sieht aber so aus, dass sich unsere Hypothesen bestätigen lassen könnten“, sagt Schuchert. Bedeutet: Das gepfiffene Spanisch spricht eher beide Gehirnhälften symmetrisch an. Sollte sich das auch nach der Auswertung der Vergleichsgruppe weiterhin so zeigen, könnte das Ergebnis für Therapieansätze zum Beispiel von Schlaganfallpatienten, die nicht mehr sprechen können, genutzt werden.
*Im urpsprünglichen Artikel fehlten die Namen der Betreuer für die Abschlussarbeiten. Am 16. September 2019 wurden diese ergänzt.