Beruflich Qualifizierte Auf jeden Fall trauen
Anna Schmiedel hatte sich bereits eine Karriere im Gesundheitssektor aufgebaut, bevor sie auch ohne Abitur den Weg an die RUB fand.
Mit zwölf Jahren kam Anna Schmiedel aus Kirgistan nach Deutschland und erwarb ihre Fachoberschulreife mit Qualifikation an der Hauptschule. Ihr Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit hielt sie davon ab, das Abitur abzulegen. Stattdessen entschied sie sich für eine Ausbildung als Zahnarzthelferin, bildete sich kontinuierlich weiter und legte nach verkürzter Ausbildung die Prüfung zur Fachwirtin für zahnärztliches Praxismanagement ab. Ein Stipendium der Zahnärztekammer unterstützte sie dabei. Anschließend absolvierte Schmiedel erfolgreich ihre Ausbilder-Eignung. Nach zehn Berufsjahren in leitender Position suchte die heute 41-jährige Mutter die nächste Herausforderung in der Selbstständigkeit und arbeitet nun als Coachin im Gesundheitswesen.
Was hat Sie dann dazu bewogen, den Schritt an die Uni zu wagen?
Anna Schmiedel: Der Wunsch, Psychologie zu studieren, war eigentlich die ganze Zeit in mir. Die damalige Hürde, das Abitur in den vollen drei Jahren nachholen zu müssen, hat mich allerdings immer gehemmt und ich habe mich erst einmal damit abgefunden. Von dem 2009 geänderten Hochschulgesetz erfuhr ich erst viel später: Eine Freundin erzählte mir von der Möglichkeit, auch ohne Abitur studieren zu können. Also machte ich direkt einen Termin bei der Studienberatung aus, und sie hat mich dahin begleitet. Das Bewerbungsverfahren lief damals nur noch eine Woche und dann ging alles ganz schnell.
Und wie haben Sie sich auf das Studium vorbereitet? Gab es Herausforderungen?
Ich habe angefangen, Englisch zu lernen. Denn ich wusste, dass man im Studium heutzutage auch viele Inhalte auf Englisch behandelt und hatte da Nachholbedarf. Also habe ich mich zuhause hingesetzt und vor allem das Fachvokabular gelernt. Mit den klassischen Sprachkursen, die eher auf Konversation ausgelegt sind, kommt man da nicht weit.
Daneben war es aber auch eine Umstellung für mich, das Berufsleben herunterzufahren. Nicht alle Kunden hatten Verständnis für meine Entscheidung. Ich arbeite nun vorwiegend in den Semesterferien.
Also hat sich auch Ihr Alltag geändert?
Ja, ich bin nun viel mehr unterwegs und weg von zuhause. Da kommt das Familienleben kürzer und meine Freizeit muss ich in das Lernen investieren. Meine Familie unterstützt mich dabei, auch wenn sich die Vereinbarkeit von Schulferien und Semesterferien schwieriger gestaltet.
Woran ich mich außerdem gewöhnen musste, ist, dass mein Alltag vorher voller Erfolgserlebnisse war mit direktem Feedback von Kunden. Beim Lernen ist das nicht so.
Hatten Sie zwischendurch doch Zweifel am Studium?
Nein, ganz im Gegenteil, die Freude überwiegt. Ich kann es manchmal noch gar nicht wirklich glauben. Es macht Spaß. Wir bekommen im Studium einen breiten Input und haben wirklich sehr gute Professoren. So einschüchternd die RUB als große Uni am Anfang vielleicht auch war, so viele Vorteile bringt das Studieren hier auch mit sich, zum Beispiel die Möglichkeit, Vorlesungen online nachzuholen.
Welchen Tipp würden Sie abschließend anderen Studieninteressierten ohne Abitur noch mitgeben?
Traut Euch auf jeden Fall. Auch wenn Zweifel aufkommen und man sich fragt, ob man das alles hinbekommt oder sich Gedanken macht, was andere wohl dazu sagen, dass man etwas später als der Durchschnittsstudent das Studium aufgreift. Es lohnt sich und man ist dann nur umso stolzer auf sich selbst. Außerdem sollte man sich über ein Stipendium informieren.
Es gibt viele Möglichkeiten, zum Beispiel das Weiterbildungsstipendium der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung für diejenigen, die einen sehr guten Berufsabschluss haben und das erste Hochschulstudium beginnen. Es ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.