
Nadine Lordick sieht die Vorteile von KI und ist trotzdem davon überzeugt, dass manchmal besser gelernt wird, wenn auf KI verzichtet wird.
Standpunkt
KI ist keine Naturgewalt, die über uns hineinbricht
Nadine Lordick arbeitet im Projekt KI:edu.nrw und im Schreibzentrum und findet, dass Studierende nicht immer dem Druck nachgehen müssen, KI-Tools zu nutzen.
„Es fühlt sich an, als ob ich auf einem Fahrrad sitze und alle anderen mit ihren E-Bikes an mir vorbeiziehen.“ So ungefähr hat eine Studentin mir gegenüber ihre Sorge ausgedrückt, abgehängt zu werden, weil sie keine KI nutzen möchte, aber denkt, mit ihren Mitstudierenden mithalten zu müssen.
Diesen Druck nehme ich in vielen Gesprächen wahr. Das Thema KI* ist mit viel Angst darüber verbunden, den Anschluss zu verpassen, weil so viele Narrative damit einhergehen: dass sie sich rasant immer weiterentwickelt und alles Mögliche übernehmen kann, dass sie unsere Gesellschaft transformieren wird. Man hört Sprüche wie: „Nicht die KI wird dir den Job wegnehmen, sondern jemand, der KI nutzt!“
Die Entscheidung zur Nutzung von KI ist noch nicht gefallen und wir sollten sie uns nicht aufdrängen lassen.
Ich mache mich für eine andere Perspektive stark. Die Entscheidung zur Nutzung von KI ist noch nicht gefallen und wir sollten sie uns nicht aufdrängen lassen. Ob, wie und für was eine Person KI nutzen möchte, ist eine Entscheidung, die sie immer wieder neu treffen kann und sollte. Sie hängt von unterschiedlichen Faktoren ab – natürlich davon, was rechtlich erlaubt und was technisch möglich ist, aber vor allem von persönlichen Zielen und Werten.
Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Studierenden an die Uni kommen, um etwas zu lernen. Von dieser Grundannahme ausgehend spreche ich mit Studierenden (und Lehrenden) darüber, inwiefern sich KI-Nutzung darauf auswirken kann, wie und was ich lerne. Manchmal gehört zum Lernen auch, auf KI zu verzichten, weil man manche Dinge nur dann übt, wenn man sie selbst macht.
Ich versuche die Studierenden darin zu bestärken, ihre Entscheidung bewusst zu treffen – egal, wie sie am Ende ausfällt. Ich spinne das Bild, dass die Studentin aufgeworfen hat, mal weiter: Mit dem Auto ist man sogar noch schneller als mit dem E-Bike, und am schnellsten mit dem Flugzeug. Trotzdem gibt es gute Gründe, auf das Auto oder das Flugzeug zu verzichten – sei es aus Gründen der Nachhaltigkeit, oder weil man beim Fahrradfahren etwas für die eigene Gesundheit tut. Aber manchmal fällt die Entscheidung doch aufs Auto. Das kommt auf die Situation und Prioritäten an.
KI bewusst nutzen
Die Entscheidung zur KI-Nutzung bewusst und reflektiert zu treffen, das wünsche ich mir nicht nur für Studierende, sondern für alle. KI wird oft wie eine Naturgewalt behandelt, die über uns hereinbricht, und deren Entwicklung wir ausgeliefert sind. Ich kenne dieses Gefühl auch und sehe die Zwänge, die diese Technologie produziert. Ich glaube aber, dass es nicht hilft, die Hände in den Schoß zu legen und das einfach so zu akzeptieren: Die wissenschaftliche Community sollte selbst entscheiden, ob und wie KI das Lehren und Lernen von wissenschaftlichem Arbeiten verändert.
*Anmerkung der Autorin: KI ist zwar ein geläufiger Begriff, aber auch problematisch. In diesem Beitrag sind mit KI in der Regel generative Große Sprachmodelle gemeint, die meist als Chatbots auftreten wie ChatGPT.