Transfer Als Forschende die Politik beraten
Im Programm „Forschung in die Politik und Gesellschaft (ein-)bringen“ der RUB erhält der wissenschaftliche Nachwuchs Einblicke in Berufsfelder und erwirbt Kompetenzen unter anderem im Bereich der Politikberatung.
Wie funktioniert Politikberatung in der Praxis? Wie viel kann man bewirken? Wie kann man in der Politikberatung Fuß fassen? Am 7. Juli 2021 stellte sich Prof. Dr. Thomas Clemen von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg im Rahmen eines Expertendialogs des Programms „Forschung in die Politik und Gesellschaft (ein-)bringen“ den Fragen von Doktorandinnen und Doktoranden der Universitätsallianz Ruhr (UA Ruhr). Bis 2015 hatte Clemen als Mitglied der Schutzkommission das Bundesinnenministerium im Bereich Zivilschutz und nationale Sicherheit – also etwa im Bereich der Pandemiebekämpfung – beraten. Die für die Promovierenden ernüchternde und bisweilen erschütternde Erkenntnis des Nachmittags: Deutschland sei noch immer in vielen sicherheitspolitischen Bereichen nicht gut vorbereitet – trotz zahlreicher Warnungen, Prognosen und Handlungsempfehlungen von wissenschaftlichen Expertinnen und Experten. Umso wichtiger, findet Prof. Dr. Michael Roos, RUB-Ökonom und Initiator des Qualifizierungsprogrammes „Forschung in die Politik und Gesellschaft (ein-)bringen“, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereit sind, sich solch einem scheinbar irrationalen System als Politikberaterin oder Politikberater zur Verfügung zu stellen. Die Politikberatung ist daher eines der Berufsfelder, auf das das zweijährige Qualifizierungsprogramm der RUB vorbereiten möchte.
Das Zertifikatsprogramm
Michael Roos, wie auch Dr. Christiane Wüllner und Dr. Ursula Justus von der RUB Research School, die das Zertifikationsprogramm gemeinsam entwickelt und realisiert haben, ist es ein besonderes Anliegen, den Austausch zwischen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik, Medien und Gesellschaft und dem wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. „Wir möchten junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler frühzeitig dafür sensibilisieren, ihr Forschungs- und Fachwissen in gesellschaftliche Handlungsfelder einzubringen und auf diesem Wege Verantwortung in der Wissenschaft aber auch in Politik und Gesellschaft zu übernehmen“, so die Koordinatorinnen der Research School. Eine immer wichtigere Verantwortung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern betont auch Michael Roos. „Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig wissenschaftliche Politikberatung und Wissenschaftskommunikation sind. Ich denke, dass es ein Alleinstellungsmerkmal der RUB ist, dass wir Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler auf diese Art qualifizieren“, so Roos weiter.
Praktische Erfahrungen sammeln
Die einzelnen Formate des Programms – Vorträge, Seminare, Workshops, Expertendialoge, Planspiele – ermöglichen den Doktorandinnen und Doktoranden Einblicke in attraktive Berufsfelder in- und außerhalb der Forschung. Eine besondere Stärke sind die Workshops, in denen die Doktorandinnen und Doktoranden sich beispielsweise aktiv in der Politikberatung erproben und wichtige Fähigkeiten erwerben dürfen. So fand erst kürzlich ein Workshop mit Dr. Kathrin Happe von der Wissenschaftsakademie Leopoldina statt. In Gruppen erarbeiteten die Teilnehmenden eine wissenschaftliche Stellungnahme zum Klimaanpassungskonzept der Stadt Bochum und stellten diese anschließend vor. „Für viele war das wie ein Sprung ins kalte Wasser“, erinnert sich Dr. Björn Ahaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Makroökonomik. „Sie mussten zum ersten Mal disziplinenübergreifend Handlungsempfehlungen für ein Publikum aus der Politik verfassen. Das war eine Herausforderung.“ Eine Herausforderung, der sich auch Forschende der Leopoldina bei echten Stellungnahmen immer wieder stellen müssten.
Positive Resonanz
Das Zertifikatsprogramm ist bereits zum zweiten Mal gestartet. Eine der aktuell 30 teilnehmenden Doktorandinnen und Doktoranden ist Sandy Chwastek, die an der Fakultät für Psychologie der RUB promoviert: „Ich nehme an dem Programm teil, weil ich mich für einen besseren Austausch zwischen Politik und Wissenschaft einsetzen und die verschiedenen Möglichkeiten der Politikberatung kennenlernen möchte. Der Austausch mit Expertinnen und Experten wie Frau Dr. Happe oder Herrn Prof. Clemen ermöglicht Einblicke in die Hintergründe und Zusammenhänge, die sonst nicht so leicht zugänglich gewesen wären.“ Die Organisatoren und Organisatorinnen des Programmes freut das gute Feedback. „Das große Interesse der Promovierenden zeigt, dass wir hiermit einen Verantwortungsbereich von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern adressieren, den viele Promovierende wichtig finden“, so Wüllner und Justus.
Verantwortung der Wissenschaft
Neben ganz persönlichen Einblicken in seine Tätigkeit als Sicherheitsberater appelierte Informatikprofessor Clemen im Expertendialog am 7. Juli auch an die Politik, Konsequenzen aus der aktuellen Bewältigung der Pandemie zu ziehen, ein nachhaltiges Konzept zu erarbeiten, um die Bevölkerung auf künftige Krisen besser vorzubereiten. Dabei ließ er keinen Zweifel daran, dass Deutschland in den nächsten Jahren gewaltige Katastrophen bevorstehen würden, insbesondere im Hinblick auf Klimawandel, weltweite Migration und politischen Extremismus. Um künftig besser gewappnet zu sein, sei es daher unabdingbar, dass die nächste Generation frühzeitig lerne, persönliche und soziale Resilienz zu entwickeln. „Der Vortrag zeigt, dass Forschende weitergehen und eine wohlbegründete, informierte Meinung aussprechen, eine unbequeme Perspektive in die Diskussion einbringen und sich aktiv in die Beratung einmischen dürfen“, resümiert Roos. „Wir haben heute gehört, wie mühsam das sein kann, aber am Ende bewirkt man doch etwas.“
Das Qualifizierungsprogramm
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