Andreas Rienow und Niels Dedring (rechts) mit Calliope mini
© RUB, Marquard

Geografie Kinder steuern Experimente auf der ISS

Ein sternförmiger Mikrocontroller ist inzwischen an Bord der Internationalen Raumstation ISS. Er macht 120 Experimente im All und schickt die Ergebnisse zurück in die Schulen.

Arbeitsreiche Zeiten warten auf den Calliope mini: Der sternförmige Mikrocontroller hat kurz vor Weihnachten 2021 mit einem Versorgungsflug Kurs auf die Internationale Raumstation ISS genommen und ist dort wohlbehalten angekommen. Ende März 2022 geht es dann los: Gefüttert mit Code für 120 Programme wird er im All Experimente durchführen, die 377 Schülerinnen und Schüler zwischen 8 und 14 Jahren für ihn geschrieben haben.

Astronaut Matthias Maurer hat die Experimente mit Calliope mini an Bord der ISS durchgeführt.
© ESA/NASA

Das konnten sie im Rahmen der Aktion namens CalliopEO mit einer Blockprogrammierung, also ohne eine Programmiersprache zu lernen. Die Aktion wurde angeboten von Geomatik-Forschenden des Geographischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum (RUB). CalliopEO begleitet die ISS-Mission vom deutschen Astronauten Matthias Maurer „Cosmic Kiss“. Partner des Projektes sind neben dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum DLR auch die ESA (Europäische Weltraumorganisation), die ihren Mikrocomputer für die Kopplung mit Calliope mini bereitstellt, und Calliope gGmbh, die den kleinen Controller und seine Grundlagenprogramme entwickelt hat. Zum Team des von Prof. Dr. Andreas Rienow geleiteten Projektes gehört auch RUB-Student Niels Dedring. „Es war interessant zu sehen, wie viel Organisation dahintersteckt, wenn man einen Minicontroller ins All bringen will“, so sein Fazit. „Von der ersten Idee bis zur Ausführung der Experimente hat es rund zwei Jahre gedauert.“

Einen Fensterplatz gibt es später

Calliope mini wird zunächst einige Experimente durchführen, für die es keinen Fensterplatz braucht. Etwa eine Woche später wird der Mikrocontroller mit seinen Sensoren am Fenster der ISS platziert, um weitere Programme auszuführen, für die zum Beispiel Helligkeit oder UV-Strahlung gemessen werden müssen. „Der Zeitplan ist unheimlich eng“, berichtet Niels Dedring, der hofft, vielleicht auch Videoaufnahmen von der Durchführung der Experimente von der ISS bekommen zu können. Auf jeden Fall werden die Ergebnisse der Experimente als Textdateien zurück zur Erde und in die Schulklassen geschickt, die sich beteiligt haben.

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„Wir sind sehr froh, dass sich trotz des großen Stresses, den die Coronakrise für die Schulen bedeutet hat, so viele Kinder angemeldet und mitgemacht haben“, berichtet Niels Dedring. Sechs Experimente hat der Geograf auch selbst beigesteuert.

Sechs Experimente für Calliope mini

1. Umweltbeobachtung der ISS

Dass sich die Umweltfaktoren Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Konzentration infolge des Klimawandels auf der Erde verändern werden, ist unumstritten. Ebenso wie die Umweltfaktoren auf der Erde regelmäßig gemessen werden, erlaubt das ein externer Sensor auf der ISS. Er kann die CO2-Konzentration, die Temperatur und die prozentuale, relative Luftfeuchtigkeit messen und an Calliope mini übermitteln.

2. Reboost der ISS

Die ISS verliert am Tag etwa 50 bis 100 Meter an Höhe. Ohne Korrektur würde sie aus der Umlaufbahn geraten und immer weiter sinken. Der Grund dafür ist, dass in 400 Kilometern Höhe noch immer eine geringe Atmosphäre vorhanden ist, welche einen Widerstand bildet, der an der ISS zieht. Um dem entgegenzuwirken, muss die ISS mittels Triebwerkzündungen immer wieder angehoben und zurück in ihre Umlaufbahn gebracht werden. Solche Bahnkorrekturen finden etwa drei- bis viermal im Monat statt und sind dann mit dem in Calliope mini verbauten Beschleunigungssensor messbar. Darüber hinaus kann der Sensor die Beschleunigung in alle Richtungen dauerhaft überwachen und speichern. „Die ermittelten Daten kann man mit Messwerten von der Erde vergleichen und in Relation setzen, um die Auswirkungen von Schwerelosigkeit auf die Beschleunigung Schülerinnen und Schülern experimentell zu vermitteln“, erklärt Niels Dedring.

3. Dauer einer Erdumrundung

Der Calliope mini soll die Umlaufdauer sowie die Dauer der aktuellen Tag- und Nachtzeiten von einer Erdumrundung ermitteln. Dazu soll der Helligkeitssensor die Helligkeit über mindestens 90 Minuten – einer Erdumrundung – messen und speichern. Im Anschluss kann dann die Zeit zwischen den beiden hellsten Messwerten bestimmt werden.

4. Farbspektrum der Erde

Der Calliope mini soll mithilfe eines externen Sensors die Lichtzusammensetzung der Erde aus rot, grün und blau von der ISS aus messen. Daraus kann man auf die ungefähre Position der ISS schließen. Bei besonders hohen Blau- oder Gelb-Werten zum Beispiel befindet sich die ISS sehr wahrscheinlich über dem Meer oder einer Wüste. Eine ausgeglichene Farbzusammensetzung lässt auf starke Bewölkung schließen.

5. UV-Messung

Die Sonne strahlt nicht nur sichtbares Licht aus, sondern auch solches, welches wir weder sehen noch fühlen können. Dazu gehört unter anderem die ultraviolette, kurz UV-Strahlung. Mithilfe des externen UV-Sensors soll die UV-Strahlung hinter dem Fenster des Columbus-Moduls der ISS gemessen werden. Im Nachgang können Schülerinnen und Schüler den UV-Index basierend auf den gemessenen Werten berechnen.

6. Drehung der ISS

Die ISS kippt mit etwa vier Grad pro Minute nach vorne, um einmal in 90 Minuten – einem Erdumlauf der ISS – eine Drehung um sich selbst und um die Erde durchzuführen. Diese Drehbewegung soll mit dem am Calliope mini integrierten Kreiselsensor überprüft werden. Hierzu wird über einer Dauer von 90 Minuten der Winkel auf der X- und Y-Achse gemessen und gespeichert. Diese Daten können anschließend beispielsweise im Physikunterricht zum Verständnis der Stabilität eines Drehimpulses verwendet werden.

Förderung

Die Aktion findet im Rahmen des vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projektes (BMWK) „KEPLER ISS“ (Förderkennzeichen 50JR1701) statt.

Das Projekt Kepler ISS ist der Nachfolger des Projekts Columbus Eye, das in Kooperation mit der NASA durchgeführt wurde, und baut auf dessen Erkenntnissen auf. Auf der Projektwebseite kann man zum Beispiel Livebilder der ISS-Kameras anschauen oder gezielt nach Aufnahmen von Naturereignissen wie Taifunen oder Vulkanausbrüchen suchen.

Online finden sich auch die Unterrichtsmaterialien von CalliopEO.

Die Calliope-mini-Hardware nutzt die Astro-Pi-Hardware der ESA/Raspberry Pi Foundation zur strukturellen Unterstützung und Stromversorgung auf der ISS.

Veröffentlicht

Donnerstag
07. April 2022
09:32 Uhr

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